Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalle Blomquist

Kalle Blomquist

Titel: Kalle Blomquist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
Vom Netzwerk:
er aber fort war, als er ungefähr eine Stunde später aus dem Fenster entfloh.
    »Ist ja reizend, daß man so bei kleinem die Hellseher zusam-menbekommt«, sagte Sixtus. »Sei so gut und sieh mal hell, wo Beppo jetzt gerade steckt.«
    Anders aber erklärte, daß er nur Hellseher für Zeit, aber nicht für Orte sei.
    »Und wie spät wird es sein, wenn wir Beppo finden?«
    »Wir finden ihn in ungefähr einer Stunde«, sagte Anders überzeugt. Hierin aber irrte sich der Hellseher. Ganz so schnell ging es nun doch nicht.
    Sie suchten überall. Sie suchten in der ganzen Stadt. Sie fragten an allen Stellen, wo es Hunde gab, die Beppo zu begrüßen pflegte. Sie fragten jeden, den sie trafen. Niemand hatte Beppo gesehen. Er war verschwunden. Sixtus war nun völlig still geworden. Die Tränen kamen ihm vor Unruhe. Aber zeigen konnte er das auf keinen Fall. Er putzte sich nur auffallend oft die Nase.
    »Es muß ihm etwas passiert sein«, sagte er immer wieder.
    »Niemals war er so lange weg.«
    Die anderen versuchten, ihn zu trösten. »Ach, ihm ist schon nichts passiert«, sagten sie. Aber sie waren selbst weit entfernt davon, so überzeugt zu sein, wie sie vortäuschten. Stumm gingen sie eine Weile nebeneinanderher.
    »Er war so ein feiner Hund«, sagte Sixtus schließlich mit zitternder Stimme. »Er verstand alles, was man zu ihm sagte.«
    Dann mußte er sich wieder die Nase putzen.
    »Laß das sein, so zu reden«, sagte Eva-Lotte. »Du redest, als ob er tot wäre.«
    Sixtus antwortete darauf nicht.
    »Er hatte so treue Augen«, fand Kalle. »Ich meine: Er
hat
so treue Augen«, beeilte er sich zu verbessern.
    Dann war wieder eine lange Zeit alles still. Als es zu drückend wurde, sagte Jonte: »Ja, Hunde sind feine Tiere.«
    Sie waren jetzt auf dem Heimweg. Es lohnte sich nicht mehr zu suchen. Sixtus ging einen halben Meter vor den anderen und stieß einen Stein vor sich her. Und sie verstanden genau, wie traurig er war.
    »Denk nur, Sixtus, wenn Beppo nach Hause gekommen ist, während wir unterwegs waren und so lange suchten«, sagte Eva-Lotte hoffnungsvoll.
    Sixtus blieb mitten auf der Straße stehen. »Wenn das wahr ist, wenn Beppo nach Hause gekommen ist, dann werde ich ein guter Mensch. Oh, welch ein guter Mensch will ich werden! Ich will mir jeden Tag die Ohren waschen, und immer, wenn Mutter etwas von mir will …«
    Voll neuer Hoffnung begann er zu laufen. Die anderen folgten ihm, und sie wünschten alle brennend, daß Beppo am Zaun stehen und bellen möge, wenn sie zur Postdirektorsvilla kamen.
    Aber da stand kein Beppo. Sixtus’ großzügiges Versprechen der Ohrenwaschung hatte auf die Mächte, die das Leben und die Schritte der Hunde lenkten, keinen Einfluß gehabt. Und die Hoffnung war bereits in Sixtus’ Brust gestorben, als er seiner Mutter, die auf der Veranda saß, zurief: »Ist Beppo zurückgekommen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Sixtus sagte nichts. Er ging in den Garten und setzte sich ins Gras. Die anderen folgten ihm. Sie lagerten sich stumm um ihn. Es gab ja keine Worte, so eifrig sie auch danach suchten.
    »Ich hatte ihn, seit er ein kleiner Welpe war«, erklärte Sixtus mit undeutlicher Stimme. Sie mußten doch verstehen: Wenn man einen Hund gehabt hatte, seit er ein kleiner Welpe war, dann war man schon berechtigt, rote Augen zu haben, wenn er verschwand. »Und wißt ihr, was er mal tat?« fuhr Sixtus fort, wie um sich selbst zu quälen. »Damals, als ich nach der Blind-darmoperation aus dem Krankenhaus kam? Da kam mir Beppo am Zaun entgegen, und da war er so froh, mich zu sehen, daß er mich doch umschmiß, und die ganze Wunde sprang wieder auf!«
    Alle waren davon tief gerührt. Einen größeren Beweis von Liebe konnte ein Hund gewiß nicht erbringen, als seinen Herrn umzuschmeißen, so daß die Blinddarmnaht wieder aufriß. »Ja, Hunde sind feine Tiere«, bestätigte Jonte noch einmal.
    »Besonders Beppo«, sagte Sixtus und putzte sich die Nase.
    Kalle wußte nachher nicht mehr, woher ihm der Einfall gekommen war, in den Holzschuppen des Postdirektors zu sehen.
    Eigentlich war es richtig närrisch, das fand er selbst. Denn wenn Beppo dort eingeschlossen worden wäre, dann hätte er sicher so lange gebellt, bis man ihn wieder herausgelassen hätte. Aber auch wenn es keinen vernünftigen Grund dafür gab, in den Holzschuppen zu sehen, – Kalle tat es trotzdem. Er öffnete die Türen ganz weit, so daß das Tageslicht den ganzen Schuppen erfüllte. Und weit hinten in einer Ecke lag Beppo. Ganz

Weitere Kostenlose Bücher