Kalle Wirsch und die Wilde Utze
hast, bist du bald am Meer.
Dort suchst du die Bucht der gelben Muscheln. Von da ist es nicht mehr weit zur
Insel über der Korallengrotte. >Weißes Riff< nennt man die Insel, weil
sie einen schneeweißen Sandstrand hat. Du mußt mit einem Boot hinüber fahren.«
Kalle Wirsch hatte aufmerksam zugehört und
versucht, sich alle Einzelheiten einzuprägen.
»Wenn du mich begleiten könntest, wäre es
einfacher«, sagte er. Aber er wußte, daß das nicht möglich war. Er wußte, daß
der Fährmann den See der Finsternis erst verlassen durfte, wenn er
freigesprochen war.
»Nimm Tutulla mit und den Kohlen-Juke«, riet der
Fährmann. »Tutulla findet alle Wege, und Juke kann dir ein Boot bauen und dich
auf die Insel rudern.«
»Oh bitte«, rief Juke, »nimm mich mit. Ich war
noch nie am Meer. Das Meer, oh! Ich stelle es mir großartig vor: Wellen, Wogen,
Schaumkronen, Wirbel, Strudel, Brandung, Flut.«
Jetzt meldete sich auch Tutulla zu Wort. »Ich
bin zwar nicht so schwärmerisch veranlagt wie der Juke, aber ich käme auch gern
mit.«
»Natürlich, Tutulla«, sagte Kalle Wirsch. »Es
wird gut sein, wenn wir zu dritt sind.«
Dann wandte er sich wieder dem Fährmann zu: »Hab
noch ein wenig Geduld. Ich will zuerst zum Rubinberg zurück. Wir müssen die
Zerstörungen in Ordnung bringen, die die Wilden Utze dort angerichtet haben.
Der Eingang bekommt ein neues Tor; er muß wieder verschlossen werden. Ich werde
alle zur Arbeit rufen, dann sind wir schnell fertig.«
»Ich habe Geduld«, sagte der Fährmann. »Und ich
vertraue dir, Kalle Wirsch.«
9. Kapitel
Der Plan des
Feuersalamanders
I m Rubinberg begann bald ein emsiges Arbeiten. Die Wirsche meißelten
ein neues Felsentor. Die Wolde setzten die abgebrochenen Rubinzacken an die
Gewölbe. Die Gilche räumten die zerplatzten Echokugeln fort. Die Murke nahmen
den Eisenklumpen, der einmal das Schwert des Wächters gewesen war, schmolzen
ihn in den Töpfen der Vulkaniden und gossen das flüssige Eisen in eine Form.
Die Trumpe schmiedeten daraus ein neues Schwert für den Wächter am Rubinberg.
König Kalle Wirsch half überall, wo Rat nötig war. Mit seiner Fähigkeit,
Kristalle wachsen zu lassen, konnte er manchen Schaden ausbessern. Er legte die
zertrümmerten Stücke des Rubinsteins auf seine Hände und ließ sie wieder zu
einem Ganzen kristallisieren.
Auch Tutulla und der Kohlen-Juke waren dabei.
»Schaut«, rief Tutulla, »da fegen sie die
Echokugeln zusammen. Um diese hohlköpfigen Dinger ist es nicht schade.«
»Ein paar sind aber entkommen, wie ich gehört
habe«, sagte Kalle Wirsch. »Wahrscheinlich werden sie sich bald wieder
vermehren. Alles Unnütze ist schwer auszurotten.«
»Ihre Reime waren aber gar nicht so übel«, sagte
der Kohlen-Juke. »Irre, schwirre, verwirre — klingt doch hübsch, oder? Könnte
von mir sein.«
»Wenn ich was von Reimen höre, bekomme ich
Hunger«, erklärte Tutulla.
Der Kohlen-Juke lachte. »Sag ich’s nicht?
Tutulla ist verfressen, ist ganz versessen aufs Essen...«
»Hunger zu haben«, unterbrauch ihn Tutulla, »ist
keine Schande. Da finde ich deine Wörterreimerei und Wörterspinnerei schon
ärger.«
»Wozu streitet ihr?« fragte Kalle Wirsch. »Ich
finde, jeder von euch hat recht: Wer Hunger hat soll essen. Wer dichten will
soll dichten.«
»Wieder mal sehr weise«, sagte Tutulla, und man
konnte ihr nicht anmerken, ob das Bewunderung oder Spott war.
Kalle Wirsch lenkte das Gespräch auf das
Versprechen, das er dem Fährmann gegeben hatte.
»Ich denke, die Hauptarbeit im Rubinberg ist
getan. Wir drei können jetzt an die Erfüllung unserer neuen Aufgabe gehen.«
»Richtig!« rief Tutulla. »Es gibt ja schon
wieder etwas zu bewältigen. Seitdem ich Kalle Wirsch kenne, gibt es eine
Bewältigung nach der anderen.« Diesmal hörte man den Spott deutlich heraus.
»Bewältigungen sind schön«, sagte der
Kohlen-Juke. »Ich freue mich darauf, zu den Meermenschen zu gehen. Ich bin
glücklich, daß Kalle Wirsch dem Fährmann helfen will. Es ist großmütig von ihm,
nobel, gütig, wohltätig, barmherzig, edel...«
»Der Juke spinnt schon wieder«, sagte Tutulla.
Juke sah sie mit seinen großen runden Augen
vorwurfsvoll an. »Meine liebe Tutulla, du wirst nie lernen, dich gewählt
auszudrücken. Die Sprache, oh, die Sprache! Wenn man beginnt, ihr auf den Grund
zu kommen, dann wird es... ich will dir genau sagen, wie es dann wird:
beglückend, berauschend, genußreich, überwältigend, wonnevoll,
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