Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft
Unfällen) hilflos und handlungsunfähig gefühlt haben. Dabei glauben sie, dass sie selbst das Problem sind und nicht die äuÃeren Umstände, dass die Belastung allgegenwärtig und nicht auf ein bestimmtes Ereignis bezogen ist. Und sie sind felsenfest davon überzeugt, dass dieser Zustand nie mehr aufhören wird. Das führt häufig dazu, dass sie passiv werden, sich zurückziehen und bestimmte Situationen vermeiden â womit sie, aus Sicht der KVT , die Depression eher aufrechterhalten als bewältigen.
Um dieses Denken zu durchbrechen, gibt ein Therapeut dem Klienten eine Hausaufgabe auf: Genau soll er beobachten und protokollieren, wie er sich tagsüber bei verschiedenen Aktivitäten gefühlt hat. Wie erging es ihm beim Aufstehen? Beim Frühstücken? Arbeiten? Einkaufen? Elternabend? Ziel ist, dass der Klient sehr wohl Unterschiede in seinem Empfinden bemerkt, mögen sie auch klein sein. Diese gilt es dann zu verstärken, indem man zum Beispiel öfter zum Pilates geht, sich mehr in die Badewanne legt oder häufiger ein Hörbuch anhört. Die Klienten sollen lernen, dass sich ihre Gefühle wenigstens ein bisschen verändern, wenn sie aktiv handeln, statt »erlernt hilflos« zu bleiben. Dadurch verbessern sie ihre soziale Kompetenz und schaffen es, ihre (verschüttet geglaubten) Fähigkeiten zu nutzen. Sie machen also die Erfahrung, dass ihr Verhalten ihre Emotionen beeinflusst.
In der KVT analysiert man zuerst die eigenen negativen Gedanken, dann geht es darum, sich zu fragen, wie realistisch sie sind. Wer den Job verliert, kann Arbeitslosengeld, Hartz IV oder Sozialhilfe beantragen. Doch Wissen allein reicht nicht. Angstpatienten hilft es wenig, wenn ihnen jemand sagt, dass die öffentlichen Plätze in Deutschland ziemlich sicher sind. Raucher wissen ganz genau um die gesundheitlichen Folgeschäden, trotzdem schaffen es viele nicht aufzuhören. Deshalb ermuntert und begleitet der Therapeut den Patienten durch eine bestimmte Fragetechnik (»sokratischer Dialog«), sodass dieser anfängt nachzudenken, Verhaltensmuster infrage stellt und schlieÃlich selbst zu neuen Einstellungen kommt. Zum Beispiel: Vielleicht war meine Kollegin gar nicht kurz angebunden, weil sie mich nicht mag, sondern weil sie privat Stress hat.
Die neuen Bewertungen probiert man zuerst in der Therapie aus, mittels Gesprächen und Rollenspielen, dann setzt man sie in seinem eigenen Leben um: »Du wirkst angespannt â bist du sauer auf mich, oder belastet dich etwas?« Vielfach geht es darum, zu lernen, Nein zu sagen und zu seinen Bedürfnissen zu stehen. Für die KVT sieht die Bewältigung der Depression in Kurzfassung so aus: Wenn ich mithilfe eines erklärenden und anleitenden Therapeuten lerne, anders zu denken und zu empfinden, kann ich auch anders handeln. Wenn ich anders handle, verändern sich auch meine inneren Ãberzeugungen.
Eine Behandlung findet im Sitzen statt. Sie dauert in der Regel zwischen fünfundzwanzig und achtzig Stunden, bei einer einmaligen Sitzung von fünfzig Minuten in der Woche.
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie ( TP )
Bei einer TP sollen nicht nur die Symptome behandelt werden, sondern man will auch die tiefer liegenden Ursachen der Erkrankung herausfinden. Die Therapie fokussiert einen bestimmten, unter der depressiven Symptomatik liegenden Konflikt: Eine Frau ist verzweifelt, weil ihr Mann nur noch auf Pornoseiten im Internet surft, anstatt mit ihr zu schlafen. Die ersehnte Teamleitung bekomme nicht ich zugesprochen, sondern ein deutlich jüngerer Mann, der auch viel weniger qualifiziert ist. Eine Patientin reibt sich völlig auf mit der Entscheidung, ob sie ihren Vater ins Altersheim geben oder selbst pflegen soll. Bei jedem Beispiel geht es â typisch depressiv â um Trennung und Verlust.
Tiefenpsychologen gehen davon aus, dass das aktuelle Erleben immer mit Emotionen aus der Kindheit verknüpft ist: Die Frau, deren Mann sich jeder Berührung und Zärtlichkeit entzieht, leidet unter Umständen â unbewusst â noch immer darunter, dass ihre Mutter, eine ambitionierte Oberärztin, kaum zu Hause war, selten mit ihr kuschelte und sie auf ihrem Weg alleingelassen hat. Die bewussten Gefühle (jetzt) haben die unbewussten (früher) massiv reaktiviert, und zusammen sind sie so schwer aushaltbar, dass die Patientin als Reaktion an einer Depression erkrankt. Die
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