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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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auf die Vollendung des Bildes zu.
    Nach einigen Minuten sagte sein älteres Ich: » Okay. «
    » Okay – kann es losgehen? «, fragte Dylan.
    » Okay. Es kann losgehen, aber so kommen wir nicht los. «
    » So kommen wir nicht los? «, wiederholte Dylan verblüfft.
    Interessanterweise begriff Jilly es als Erste. » Es kann losgehen «, sagte sie, » aber Shep kann uns nicht wegfalten, wenn wir nicht alles wieder mitnehmen, was wir mitgebracht haben. Ich habe meine Handtasche und den Laptop in der Küche gelassen. «
    Sie zogen sich aus dem Esszimmer zurück und überließen den jüngeren Shep seinen Tränen und den letzten Teilen seines Puzzles.
    Obwohl er den Lichtschalter bei der Berührung gespürt hätte, wusste Dylan, dass er das Neonlicht ebenso wenig anschalten konnte, wie es ihm gelungen war, eine Kugel aufzuhalten. Im Dunkel der Küche sah er nicht, ob die Handtasch e u nd der Laptop, die Jilly auf den Tisch gelegt hatte, von schwarzen Lachen umgeben waren wie seine Füße und wie alles, was sie hier in der Vergangenheit berührten, aber wahrscheinlich waren sie es.
    Jilly streifte sich den Riemen der Handtasche über die Schulter und griff nach dem Laptop. » Alles klar «, sagte sie. » Auf geht ’ s! «
    Die Tür zum Hof ging auf, und Jilly fuhr erschrocken herum. Offenbar glaubte sie, es sei den ungestümen Muskelprotzen aus Holbrook, Arizona, gelungen, sich zur Verfolgung ihrer Opfer in die kalifornische Vergangenheit zu falten.
    Dylan hingegen war nicht überrascht, nun die jüngere Version von sich selbst durch die Tür treten zu sehen.
    Am 12. Februar 1992 hatte er eine Abendveranstaltung an der Universität von Santa Barbara besucht. Ein Freund hatte ihn mitgenommen und vor weniger als zwei Minuten am Ende der langen Einfahrt abgesetzt.
    Überrascht war Dylan nur, wie bald nach dem Mord er tatsächlich nach Hause gekommen war. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und dann auf die Uhr im Schweinebauch. Wäre er an jenem Februarabend nur fünf Minuten früher gekommen, so wäre er dem Mörder beim Verlassen des Hauses begegnet. Und wenn er sechzehn Minuten früher gekommen wäre, dann hätte Proctor ihn entweder auch erschossen – oder es wäre Dylan gelungen, den Mord an seiner Mutter zu verhindern.
    Sechzehn Minuten.
    Er weigerte sich, weiter darüber nachzudenken, was hätte sein können, weil er es einfach nicht wagte.
    Der neunzehnjährige Dylan O ’ Conner schloss hinter sich die Tür, ohne das Licht anzuknipsen, und ging dann durch die verblüffte Jilly Jackson hindurch. Er legte ein paar Bücher auf den Küchentisch und ging aufs Esszimmer zu.
    » Bring uns hier weg, Shep «, sagte Dylan.
    Im Esszimmer sprach der jüngere Dylan den jüngeren Shepherd an: » He, Kleiner, das riecht hier ja so, als ob es heute Abend Kuchen gibt. «
    » Bring uns nach Hause, Shep, in unsere richtige Zeit! «
    » Hör mal, Kleiner, weinst du etwa? «, fragte der andere Dylan im Nebenzimmer. » He, was ist denn los mit dir? «
    Den eigenen qualvollen Aufschrei zu hören, wenn er die Leiche seiner Mutter fand, wäre endgültig zu viel für Dylan gewesen. » Zum Teufel, Shep, schaff uns hier raus, und zwar sofort! «
    Die dunkle Küche faltete sich weg, und ein heller Ort kam herangeflogen. So irrsinnig der Gedanke auch war, Dylan fragte sich, ob Shepherds phantastische Gabe sich womöglich nicht auf Reisen durch Raum und Zeit beschränkte, sondern auch Dimensionen anpeilen konnte, die den Lebenden unbekannt waren. Vielleicht war es ja ein Fehler gewesen, » zum Teufel « zu sagen, kurz bevor sie das Jahr 1992 verlassen hatten.
     

36
    Das Kaleidoskop zog sich zusammen. Rund um Jilly entfaltete die sonnenhelle Küche sich durch die entschwindende nächtliche Küche, bis jede Einzelheit an ihrem Ort war.
    Kein köstlicher Geruch nach frisch gebackenem Kuchen. Keine schimmernde schwarze Energie unter den Füßen.
    Das lächelnde Keramikschwein an der Wand schloss die Vorderhufe um die Uhr in seinem Bauch, die 13.20 anzeigte. Das waren vierundzwanzig Minuten nach der Flucht aus dem belagerten Motelzimmer in Arizona. In der Gegenwart war genau der Zeitraum vergangen, den sie in der Vergangenheit zugebracht hatten.
    Kein offenes Tor ragte hinter ihnen auf und ließ sie in die dunkle Küche des Jahres 1992 blicken, auch kein leuchtender Tunnel war zu sehen. Wahrscheinlich war der Tunnel eine Reisemethode gewesen, die Shepherd jetzt nicht mehr anwenden musste. Verglichen mit seiner jetzigen Technik, sie alle von

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