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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Nebelfetzen auflösten.
    Als Jilly sich zu den Fenstern umdrehte, durch die man auf den Hinterhof blicken konnte, bestätigte sich, dass die Scheiben selbstverständlich unversehrt waren.
    Offenbar hatte Dylan endlich gemerkt, dass Jilly genauso abwesend war wie bei ihren früheren Visionen. » He, was ist los mit dir? «, fragte er.
    Ob das wohl die Fenster aus ihrer Vision waren? Wahrscheinlich nicht. Die Bilder von dem Blutbad in der Kirche verfolgten Jilly schon seit dem Vorabend, und trotzdem war die Katastrophe noch nicht eingetreten. Es gab also keinerlei Grund anzunehmen, dass sich diese zweite Gewalttat hier ereignen würde statt irgendwo anders oder dass sie eher früher als später zu erwarten war.
    Dylan trat zu ihr. » Was ist denn? «, fragte er.
    » Ich bin mir nicht sicher. «
    Sie blickte auf die Wanduhr, das grinsende Schwein.
    Dass sich das Lächeln des Porzellanviehs in keiner Weise verändert hatte, wusste sie. Der Ausdruck des Rüssels war unter der Glasur fixiert, und das Lächeln war so freundlich, wie sie es zum ersten Mal vor einer halben Stunde – beziehungsweise vor zehn Jahren – gesehen hatte. Trotzdem strahlten Schwein samt Uhr eine feindselige Energie aus.
    » Jilly? «
    Eigentlich war nicht nur das Schwein, sondern die ganze Küche von etwas Bösartigem durchdrungen. Es war wie die Gegenwart eines unheilvollen Geistes, dem es nicht gelungen war, sich als herkömmliches Ektoplasma zu manifestieren, und der sich deshalb in den Möbeln und Wänden des Zimmer niedergelassen hatte. Jede Kante jeder Arbeitsplatte schien messerscharf zu glänzen.
    Shepherd öffnete einmal mehr die Tür des Kühlschranks und spähte hinein. » Kalt «, sagte er, » uns ist allen kalt. «
    Die schwarzen Glasklappen des Backofens beobachteten die Szene wie verhüllte Augen.
    Die dunklen Flaschen im Weinregal erinnerten an Molotowcocktails.
    Jilly bekam eine Gänsehaut und spürte, wie sich ihr die Nackenhärchen sträubten, als sie sich vorstellte, wie der Müllzerkleinerer schweigend mit seinen stählernen Zähnen knirschte.
    Nein. Das war absurd. Der Raum war nicht von einem Geist besessen, und sie brauchte keinen Exorzisten.
    Dennoch war ihr alarmierendes Gefühl – eigentlich eine Vorahnung des Todes, wie ihr nun klar wurde – so machtvoll und wuchs so rasend an, dass sie unbedingt einen Grund dafür finden musste. Gerade eben noch hatte sie ihre Furcht abergläubisch in leblose Gegenstände projiziert, in die Schweineuhr, die Klappen des Backofens, den Müllzerkleinerer, aber die wahre Bedrohung sah anders aus.
    » Uns ist allen kalt «, sagte Shep vor dem offenen Kühlschrank.
    Dieses Mal wirkten seine Worte anders auf Jilly als bisher. Sie dachte an Sheps Marotte, Synonyme herunterzurattern, und begriff, dass dieser Satz womöglich dieselbe Bedeutung hatte wie: Wir sind alle tot. Kalt wie eine Leiche. Kalt wie das Grab. Kalt und tot.
    » Verschwinden wir sofort von hier, schnell! «, drängte sie.
    » Ich muss erst das Geld aus der Kassette holen «, sagte Dylan.
    » Vergiss das Geld. Wir werden sterben, wenn wir uns damit aufhalten. «
    » Kannst du das sehen? «
    » Das weiß ich. «
    » Na schön, also gut. «
    » Falt uns weg von hier, los, beeil dich! « , sagte Jilly zu Shepherd.
    » Uns ist allen kalt « , sagte Shep.

37
    Ticke-tacke, Schweinebacke. Glänzende Äuglein schiel ten zwischen rosa Speckfalten hervor. Das wissende Grinsen.
    Vergiss die verfluchte Uhr. Das Schwein da ist keine Bedrohung. Konzentrier dich!
    Dylan ging zu seinem Bruder zurück, schloss die Kühlschranktür zum dritten Mal und zog Shep zu Jilly hinüber.
    » Wir müssen los, Kleiner «, mahnte er.
    » Wo ist das ganze Eis? «, fragte Shepherd. Offenbar war er von diesem Thema so besessen, wie Jilly es an ihm noch nie erlebt hatte. » Wo ist das ganze Eis? «
    » Welches Eis? «, fragte Dylan.
    Jillys hellseherische Fähigkeiten, mit denen sie die Zukunft vorausahnen konnte, waren nicht nur neu für sie, sondern auch beängstigend und unerwünscht, und deshalb hatte sie bisher noch nicht genügend daran gearbeitet, sie in den Griff zu bekommen.
    » Wo ist das ganze Eis? «, fragte Shepherd beharrlich.
    » Wir brauchen kein Eis «, sagte Dylan. » Kleiner, du machst mir allmählich Angst. Frier mir bloß nicht ein! «
    » Wo ist das ganze Eis? «
    » Shep, bleib da. Hör mir zu, hör mich an, bleib hier bei mir! «
    Als Jilly sich krampfhaft bemüht hatte, die Ursache ihrer Unruhe näher zu bestimmen, war ihr Argwohn

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