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Kalt

Kalt

Titel: Kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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kein Licht im Leib geblieben, und der jahrelange Wind hatte ihm nicht viel Leben in die Knochen gehaucht. So ausgebrannt und verbraucht, wie er war, sah er aus wie ein struppiger, knorriger Busch, der kaum mehr in der Erde wurzelte und nur noch auf den Windstoß wartete, der ihn vom Leben losriss.
    Der Alte griff sich nicht an den Hut, wie er es beim Verlassen des Restaurants vor Jilly getan hatte, aber er reagierte auch nicht mit Ärger oder Angst, als Dylan die Tür blockierte. Er sah aus wie jemand, der immer allein zurechtgekommen war, egal, ob ihm Gefahren oder Kummer begegnet waren – aber ihn umgab auch die Aura eines Menschen, dem es ziemlich gleichgültig war, was mit ihm geschah.
    » Sie haben nach etwas gesucht «, sagte Dylan, obwohl er kurz zuvor noch keine Ahnung gehabt hatte, was er s agen würde, und obwohl er die Bedeutung seiner Worte nicht begriff.
    »Auf Jesus kann ich gern verzichten, Junge«, entgegnete der Cowboy. »Den hab ich schon zweimal gefunden.« Seine azurblauen Augen nahmen mehr Licht in s ich auf, als sie ausstrahlten. » Und Ärger kann ich auch nicht brauchen, genauso wenig wie Sie. «
    » Sie suchen nicht nach etwas «, berichtigte sich Dylan, » Sie suchen nach jemandem. «
    » Tun wir das nicht alle, so oder so? «
    » Sie suchen schon sehr lange Zeit «, sagte Dylan, obwohl er immer noch keine Ahnung hatte, wohin das führen sollte.
    Der Alte kniff die Augen zusammen, als wollte er Wahrheit und Täuschung auf diese Weise voneinander scheiden. » Wer sind Sie? «
    » Dylan O ’ Conner. «
    » Den Namen hab ich noch nie gehört. Und Sie, wie haben Sie von mir gehört? «
    » Ich hab von Ihnen nicht gehört, Sir. Ich weiß gar nicht, wer Sie sind. Aber … « Gerade noch waren ihm die Worte ohne seinen Willen entschlüpft, jetzt, auf Befehl, fehlten sie ihm. Nach einigem Zögern wurde ihm klar, dass er teilweise mit der Wahrheit herausrücken und sein Geheimnis lüften musste, wenn er weiterkommen wollte. » Nun ja, Sir, ich habe manchmal kurze … Eingebungen. «
    » Am Pokertisch sollten Sie sich aber nicht darauf verlassen. «
    » Nicht bloß Eingebungen. Das heißt … ich weiß Dinge, die ich eigentlich gar nicht wissen kann. Ich spüre sie, ich weiß sie und … ich stelle den Kontakt her. «
    » So ’ ne Art Spiritist, meinen Sie? «
    » Wie bitte? «
    » Sie sind ein Wahrsager oder Hellseher, so was in der Richtung? «
    » Vielleicht «, sagte Dylan. » Bloß ist diese komische Sache ziemlich neu für mich. Ich mache kein Geld damit. «
    Bisher hatte das abgehärmte Gesicht so ausgesehen, als wäre es zu keinem Lächeln fähig, nun zeigte sich möglicherweise doch eines, dünn wie ein Federstrich auf verwittertem Sandstein und so kurz, dass es auch nur ein Tic gewesen sein konnte. » Wenn das, was ich da höre, Ihre übliche Masche sein soll, dann wundert ’ s mich, dass Sie die Leute nicht bezahlen müssen, damit sie Ihnen zuhören. «
    » Sie glauben, Sie sind am Ende des Weges angelangt, dem Sie gefolgt sind. « Wieder hatte Dylan im Vorhinein nicht gewusst, was er sagen würde. » Sie sind gescheitert, glauben Sie. Aber vielleicht stimmt das gar nicht. «
    » Weiter. «
    » Vielleicht ist sie gerade jetzt ganz in der Nähe. «
    » Sie? «
    » Ich weiß nicht, Sir. Es ist mir einfach nur eingefallen. Aber wer sie auch ist, Sie wissen, wen ich meine. «
    Wieder kniff der Alte abschätzend die Augen zusammen, diesmal mit dem gnadenlos kritischen Ausdruck eines Kriminalbeamten. » Gehen Sie einen Schritt zurück! Ich brauche Platz, um auszusteigen. «
    Während der Alte aus dem großen Geländewagen kletterte, sah sich Dylan in der Dunkelheit nach Jilly und Shep um. Seit er sie zuletzt angesehen hatte, hatten sie sich ein kleines Stück vom Restaurant entfernt, aber nur so weit, dass Jilly das Buch aufheben konnte, das Dylan hatte fallen lassen. Nun stand sie wachsam neben Shepherd und sah so angespannt aus, als fragte sie sich, ob wohl auch diesmal Messer ins Spiel kommen würden.
    Auch die Straße beobachtete Dylan kurz. Keine schwarzen Kombis. Trotzdem spürte er, dass sie schon zu lange in Safford verweilt hatten.
    » Ich bin Ben Tanner. «
    Als Dylan sich wieder umwandte, sah er, dass ihm der Alte seine raue, schwielige Hand bot.
    Er zögerte, weil er Angst hatte, ein Händeschütteln könnte ihn einer potenzierten Ladung der blanken Einsamkeit und Niedergeschlagenheit aussetzen, die er an Tanners psychischer Spur wahrgenommen hatte. Wenn dieses Gefühl beim

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