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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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Farmhelfer und Rancharbeiter die wenigen Plätze streitig machten. »Wie ein Haufen alter Weiber«, setzte Mrs. Hartmans Cousine – die Postmeisterin Clare – hinzu, die sich zufällig im Lokal aufhielt. »Wenn Frühling wäre, hätten sie weiß Gott Wichtigeres zu tun als hier ihre Zeit totzuschlagen. Aber die Weizenernte ist eingefahren, der Winter steht vor der Tür, und jetzt hocken sie hier rum und machen sich mit ihrem Gerede gegenseitig verrückt. Sie kennen doch Bill Brown vom Telegram ? Haben Sie seinen Leitartikel gelesen? ›Auch ein Verbrechen‹. Da schreibt er: ›Die losen Reden müssen jetzt ein Ende haben.‹ Denn auch gemeine Lügen in die Welt zu setzen, ist ein Verbrechen. Aber was kann man von denen schon erwarten? Schauen Sie sich doch nur mal um. Klapperschlangen. Gauner und Halunken. Gerüchtekrämer. Oder sehen Sie was anderes? Ha!
    Ich sag’s doch.«
    Eines der Gerüchte, die in Hartman’s Café ihren Ursprung hatten, betraf den Rancher Taylor Jones, dessen Grundstück an die River Valley Farm grenzte. Die meisten von Mrs. Hartmans Gästen waren der Meinung, dass die Mörder es in Wirklichkeit nicht auf die Clutters, sondern auf Mr. Jones und seine Familie abgesehen hatten. »Alles andere war doch Unsinn«, meinte ein Vertreter dieser Ansicht. »Taylor Jones ist reicher, als Herb Clutter es je war. Also, angenommen, der Täter kam nicht von hier.
    Angenommen, es war ein Auftragskiller, der nur die Wegbeschreibung zum Haus hatte und weiter nichts. Da könnte er sich doch leicht geirrt haben – einmal falsch abgebogen, und schon ist er bei Herb und nicht bei Taylor.« Die »Jones-Theorie« machte die Runde – und kam schließlich auch den Jones’ zu Ohren, einer angesehenen und überaus vernünftigen Familie, die sich davon jedoch nicht irremachen ließ.
    Ein Tresen, ein paar Tische und eine Nische mit Grill, Eisschrank und Radio – mehr hat Hartman’s Café nicht zu bieten. »Aber unsere Gäste fühlen sich hier wohl«, sagte die Besitzerin. »Es bleibt ihnen auch wenig anderes übrig.
    Sonst gibt’s hier nämlich nichts. Da müssten sie schon elf Meilen in die eine Richtung fahren oder fünfzehn in die andere. Jedenfalls kommen die Leute gern zu uns, und seit Mabel hier arbeitet, schmeckt auch der Kaffee« – bei Mabel handelte es sich um Mrs. Helm. »Nach der Tragödie hab ich zu ihr gesagt: ›Mabel‹, hab ich gesagt, ›jetzt, wo du arbeitslos bist, könntest du mir doch eigentlich im Café zur Hand gehen. Ein bisschen kochen. Und bedienen.‹ Sie ließ sich nicht lange bitten – das Dumme ist nur, dass jeder, der hier reinkommt, sie mit Fragen löchert. Über die Tragödie. Aber Mabel ist da anders als meine Cousine Myrt. Oder ich. Eher schüchtern. Außerdem weiß sie auch nicht mehr als jeder andere.« Trotzdem wurden Mrs. Hartmans Gäste den Verdacht nicht los, dass Mabel Helm ihnen etwas verheimlichte. Und dazu hatten sie auch allen Grund.
    Dewey hatte wiederholt mit ihr gesprochen und sie zu strengster Verschwiegenheit verpflichtet. Insbesondere was das fehlende Radio und die in Nancys Schuh entdeckte Uhr betraf. Weshalb sie Mrs. Archibald William Warren-Browne versicherte: »Wer Zeitung liest, ist genauso schlau wie ich. Im Grunde sogar schlauer. Ich lese nämlich keine Zeitung.«
    Mrs. Archibald William Warren-Browne war eine rundliche, gedrungene Engländerin von etwas über vierzig Jahren, die mit den übrigen Cafébesuchern nichts gemein hatte und in dieser Umgebung, nicht zuletzt wegen ihres schwer verständlichen Upper-Class-Akzents, wirkte wie ein Pfau in einem Truthahnstall. Auf die Frage einer Bekannten, warum sie und ihr Mann ihr »Landgut in Nordengland« verlassen und den angestammten Familiensitz – »eine ungemein romantische, prachtvolle alte Priorei« – zugunsten eines alten und ausgesprochen unromantischen Farmhauses in der Prärie von West-Kansas aufgegeben hätten, antwortete Mrs. Warren-Browne: »Steuern, meine Liebe. Erbschaftssteuern.
    Enorme, geradezu verbrecherische Erbschaftssteuern. Das hat uns aus England vertrieben. Ja, wir sind vor einem Jahr dort fortgegangen. Und haben es nicht bereut. Keine Sekunde. Wir finden es herrlich hier. Einfach entzückend.
    Obwohl es sich natürlich nicht im Mindesten mit dem Leben vergleichen lässt, das wir gewohnt waren. Paris und Rom. Monte. London. Zugegeben – bisweilen denke ich an London. Aber fehlen tut es mir an und für sich nicht – diese Hektik, nie ein freies Taxi und immer auf sein Äußeres

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