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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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irgendwie gedacht, das ist jetzt Schicksal. Gerade nach der Geschichte mit Gonzo…«
    »Aber das…«
    »Nein, warte, es ist nicht so, wie du denkst…«
    Ah, ich hab was mit der linken Hand erwischt. Fühlt sich pelzig an… Amelies Schmusehase! Erstaunlich, der hat einen größeren Durchmesser als ich. Der klemmt richtig fest. Aber mein Gewicht ist zu viel. Ich ziehe ihn mit. Wenigstens bremst er ein bisschen… Aber er bremst nur auf der linken Seite. Ich kriege Schräglage…
    »Also, wir haben uns geküsst. Richtig geküsst. Und das war… nicht richtig. Wegen dir, aber vor allem… es war einfach absolut nicht richtig. Verstehst du, es gab kein Erdbeben. Ich war total verwirrt. Im ersten Moment dachte ich, das kommt noch, aber als ich dann wieder allein war… da wurde mir klar…«
    Geschafft! Ich habe mich stabilisiert. Mein freier rechter Fuß war kurz davor, im Spalt zu versinken, aber da habe ich ihn einfach quer gestellt. Das Gewicht meiner rechten Seite hängt jetzt an ihm dran wie an einem Haken, und das Gewicht meiner linken Seite übernimmt der Schmusehase. Ist nur die Frage, wie lange ich es so aushalten kann…
    »… also ich liebe immer noch Gonzo. Jetzt weiß ich es. Und ich war einfach durcheinander und… ich muss… mich bei dir entschuldigen… und ich muss das… Krach sagen…«
    »Hey, nicht weinen, Amelie. Nicht wegen Männern.«
    »Ich wollte es… ihm heute sagen. Ich… habe es ihm… sozusagen schon so gut wie… gesagt. Wenn du… wüsstest…«
    »Ist ja gut, ist ja gut. Komm her.«
    »Sei mir nicht böse… Ich bring das wieder in Ordnung. Ich… also, ich bin mir ganz sicher, er mag dich wirklich. Das mit uns, also, ich habs einfach im Gefühl, das war für ihn auch nur ein Ausrutscher… er hats bestimmt auch schon gemerkt… er hats zwar noch nicht gesagt, aber ich hab solche Signale gespürt…«
    Bei »Signale gespürt« war die Welt eigentlich für einen kleinen Moment wunderbar in Ordnung. Vielleicht zu sehr in Ordnung. Vielleicht hätte Amelie besser etwas sagen sollen, was mich nicht erleichtert, sondern etwas, was mich aufregt. Das Problem mit der Erleichterung war nämlich, dass ich für einen kleinen Moment ein bisschen die Körperspannung rausgenommen habe. Und als mir klar wurde, wie wichtig die Körperspannung in meiner Situation ist, war es auch schon zu spät. Ist ja nicht so, dass die Schrankbettfedern das Bett für immer eisern an die Rückwand pressen. Spätestens seit in den 70ern mal eine Oma fast in ihrem eingeklappten Schrankbett verhungert ist, hat der TÜV auf einige grundlegende Änderungen gepocht. Da reicht es im Prinzip schon, wenn man leise »Äh, ich will hier raus« wispert. Oder eben, wenn man kopfüber drinhängt und die Körperspannung rausnimmt.
    Leider ist es nicht genug damit, dass ich samt Bett herunterkrache und plötzlich wie auf einem Präsentierteller mitten im Raum liege. Und es ist auch nicht genug damit, dass ich, abgesehen von dem um meine Knöchel gewickelten Amelie-Bademantel und dem Schmusehasen in der linken Hand, nichts anhabe. Das Krönchen wird der ganzen Angelegenheit durch mein Gefühl im rechten Fuß aufgesetzt.
    In einem anderen Kontext wäre es ein tolles Gefühl gewesen. Wenn man zum Beispiel auf dem Fußballplatz ist und der Ball nach einer gefühlvollen halbhohen Flanke sanft vor einem auftitscht und ein wenig in die Höhe springt, während man selbst mit dem Schussbein ausholt, und wenn dann der Fuß wie an einer Peitschenschnur nach vorne schnellt und man fühlt, wie der Spann für den Bruchteil einer Sekunde in den Ball eindringt, um ihn dann mit der Wucht einer Kanonenkugel davonsausen zu lassen, dann ist das ein großartiges Gefühl. Selbst wenn man das Tor verfehlt und nur den Trainer umgeschossen hat. Wenn man sich aber in einem kleinen Zimmer mit zwei Frauen aufhält und der Spann des rechten Fußes in etwas eindringt, was in Größe und Haptik einem Fußball, nun ja, zumindest nicht ganz unähnlich ist, dann ist das… ganz, ganz anders.
    Julia ist auf den Boden gekracht und hält sich ihre Wange. Sie starrt das Bett an, sie starrt mich an, sie starrt Amelie an. Ich überlege noch kurz, ob ich ein »Es ist nicht das, wonach es aussieht« hervorwürgen soll, aber das würde jetzt auch nicht so richtig was ändern.
     
    *
     
    Als ich nach Hause komme, sitzen, wie immer, noch einige versprengte Hanseln in der Küche und setzen unseren Biervorräten zu.
    »He, Krach, du hast doch gleich Geburtstag. Willst du

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