Kaltduscher
nicht reinfeiern?«
»Nein. Gute Nacht.«
Showbusiness
In meinem Alter erwartet man ja nicht mehr so viel von seinem Geburtstag. Einfach ein sorgenfreier Tag und bisschen Spaß reichen dicke. Aber heute muss ich schon gleich beim Frühstück rumgrübeln. Nichts zu machen, die Dinge sind nun mal so gelaufen, wie sie gelaufen sind…
Nein, auch wenn ich noch so oft darüber nachdenke, wenn ich »Es ist nicht das, wonach es aussieht« gesagt hätte, hätte das die Situation nicht verbessert. Im Gegenteil. In den 10 000 Filmen, in denen dieser Satz vorkommt, heißt die hinter diesen Worten versteckte Botschaft grundsätzlich »Es ist genau das, wonach es aussieht«.
Nachdem Julia wieder aufgestanden und aus dem Apartment gerannt war, sagte Amelie dann aber einen Satz, der ebenfalls in mindestens 10 000 Filmen vorkommt: »Es ist besser, du gehst jetzt.«
Und bei diesem Satz bin ich mir wiederum überhaupt nicht sicher, ob da die Botschaft zwischen den Zeilen immer die gleiche ist. Vielleicht liegt das daran, dass, egal welcher Film, grundsätzlich immer nur Frauen »Es ist besser, du gehst jetzt« sagen?
Natürlich war die individuelle Situation gestern Abend schon ziemlich vertrackt. Einerseits war Amelie voll am Heulen, andererseits sagte mir ihre Körpersprache, dass sie jetzt trotzdem nicht von mir gedrückt und auf den Rücken gepatscht werden, sondern lieber Julia hinterherrennen und mit ihr Sachen besprechen will, bei denen ich nicht unbedingt gebraucht werde. Außerdem hat mir Lambert im gleichen Moment diskret mit der Pfote die Tür aufgehalten, und spätestens da orientierte sich mein Bauchgefühl doch eindeutig in Richtung Gehen.
»Mjam. Wahnsinn! Knurps. Schaut euch das an.«
Tobi sitzt mir gegenüber am Küchentisch und starrt auf seinen Laptop, während er sich nebenbei milchtriefende Frühstücksflocken aus einer gigantischen Müslischüssel in den Schlund schaufelt.
»Wawawas dedededenn?«
Gonzo sieht unwillig von seinem heißen Tee und seinem teuren Modemagazin hoch. Seine Bademantelkapuze rutscht ihm dabei vom Kopf, aber er zieht sie sich sofort wieder über.
»Gonzo, ich finde, du übertreibst es mit dem Kaltduschen. Mach es wenigstens nicht so lange. Ich sag dir, du kriegst eine Lungenentzündung.«
»Rerereto dududuscht immememer füfüfünf Mimiminuteteten.«
»Da musst du dich langsam heranarbeiten. Kannst ja in der Zwischenzeit mehr Modemagazine lesen oder Schweizer Akzent sprechen.«
»Jetzt guckt doch endlich, sonst ist er gleich weg.«
Gonzo und ich schleppen uns auf Tobis Tischseite und schauen auf den Bildschirm. Wir sehen den Stasi-Opa, der mit zitternden Händen die Orden in seinem Schaukästchen an der Küchenwand ein ums andere Mal neu ordnet, einen Schritt zurücktritt und das Ganze mit versteinerter Miene betrachtet. Er sieht mindestens zehn Jahre älter aus als noch vor einer Woche. Zum Schluss holt er eine Kamera und fotografiert das Ganze. Er muss ein Stativ benutzen, um das Bild nicht zu verwackeln.
Tobi flüstert uns abwechselnd ins Ohr.
»Es klappt. Wir haben fast nichts verändert. Nur so viel, dass er es so gerade eben bemerkt. Und genau das macht ihn wahnsinnig, seht ihr? Die Stasis wussten damals schon genau, was sie taten.«
»Boa ey, echt Tobi, ich glaube, der hat genug. So, wie der aussieht.«
»Dededer klappappappt bababald zusammammammen.«
»Keine Sorge. Heute Nachmittag kommt das große Finale. Sozusagen als Geburtstagsgeschenk für Krach. Punkt vier in der Küche, okay?«
»Von mir aus.«
NÄÄÄÄÄT!
Reto kommt aus seinem Zimmer und geht an die Tür. Molekülstrukturwechsel im Flur, neues Licht, neue Farben, neue Zeitrechnung, das Übliche halt.
»Das ist Monigue.«
»Hallo Monique.«
Gonzo vergräbt sich noch tiefer in seine Modezeitschrift, und ich grüble weiter, ob ich gestern was falsch gemacht habe. Nur Tobi sabbert kurz auf seine Tastatur, aber nur ein bisschen. Mit der Zeit gewöhnt man sich eben an alles.
Ich trinke meinen Kaffee aus.
»Tschüss, ich muss los.«
»Kann ich dein Brötchen haben?«
»Gerne. Ich hab ja jetzt Geburtstagsfrühstück bei meinen Eltern im Reihenhausgarten. So viel werde ich gar nicht essen können, wie die da auftischen.«
»Bis nachher. Knurps.«
»Wiedrrrchsehen.«
»Das musst du noch üben, Gonzo.«
*
Eigentlich passt alles. Die Gartenstühle sind hässlich, aber saubequem, das Essen schmeckt großartig, und selbst die Wespen verhalten sich halbwegs friedlich. Ich hatte die
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