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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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dass man jeden Menschen dazu bringen kann, emotional zu werden. Man muss nur den neuralgischen Punkt berühren.«
    »Yeah, das ist sozusagen unser Job.«
    »Okay, aber mach ruhig weiter, Tobi. Sollte nur eine kleine Zwischenbemerkung sein.«
    Arne packt den Quadrokopter und sein Laptop und verzieht sich in Tobis Zimmer.
    »Etwas nervös, euer Systemadministrator.«
    »Wir wollten ihn nicht erschrecken. Sagt ihm, wir wären auf jeden Fall zu einer entschuldigenden Geste bereit.«
    »Wir könnten ihm eine günstige Stilberatung vermitteln, hihi.«
    »Lass mal, in Sachen Stilfragen sehe ich immer noch Krach ganz vorne.«
    »Stimmt. Mister Hosenbein rulez.«
    »So Freunde, war nett zu plaudern, aber wir müssen zur nächsten Schicht.«
    »Cya tomorrow.«
    »Spätestens.«
    »Frisch bleiben.«
    Die Tür fällt ins Schloss. Ich schnaufe tief durch und sehe Tobi an. Er nickt leise, aber es dauert eine Weile, bis wir anfangen zu sprechen.
    »Also Gonzo, was wir dir schon lange mal sagen wollten…«
    »… und das darfst du jetzt echt nicht falsch verstehen…«
    »… und wir finden ja auch, dass Elvin und Adrian ganz nett sind…«
    »… aber, wie soll ich sagen…«
    »… wir finden, dass äh…«
    »… sie nicht dauernd hier rumhängen sollten, oder, nun ja…«
    »… wenigstens nicht ganz so oft. Verstehst du, was wir meinen?«
    »Hey, ich weiß gar nicht, warum ihr so rumstammelt. Von mir aus können wir die beiden sofort zu Katzenfutter machen und ins Ausland verkaufen.«
    »Oh, prima, also, ich meine…«
    »… dann ist ja alles wunderbar.«
    »Absolut.«
    »Nun gut, also, hm, also…«
    »… sagst du es ihnen dann bitte?«
    »Wieso soll ausgerechnet ich es ihnen sagen?«
    »Na ja, also, korrigiere mich, wenn ich falschliege, aber…«
    »… du hast sie doch schließlich hier angeschleppt.«
    »Waas? Ich dachte immer, einer von euch hätte die angeschleppt.«
    »Waas? Willst du damit sagen…«
    »… das sind gar nicht deine Freunde?«
    »Meine Freunde? Wir treffen uns morgen früh im Hof zum Duell, Tobi. Welche Waffen?«
    »Momentchen, Gonzo. Das hat mir Krach erzählt.«
    »Ja, aber ich hab das auch von jemand anderem. Wart mal, Hendrik, du warst das, oder? Auf der Party hast du mir hier in dieser Küche gesagt, dass Gonzo die beiden eingeladen hat.«
    »Das war nur eine Vermutung.«
    »Boa ey, so denkt mein ehemaliger Mitbewohner also von mir.«
    »Na ja, Gonzo, Grafiker, Werbung, hab ich halt zwei und zwei zusammengezählt…«
    »So einen ungeheuerlichen Verdacht muss man doch mindestens überprüfen.«
    Wir brauchen einen kleinen Moment Stille, um die Lage vollständig zu erfassen.
    »Hey, aber im Klartext heißt das…«
    »… nächstes Mal, wenn sie kommen…«
    »… schmeißen wir sie einfach achtkantig raus!«
    NÄÄÄÄÄÄÄÄÄT!
    »Ha, es ist schon so weit. Das wird ein Massaker.«
    »Nein, lass mich an die Tür.«
    »Ich will.«
    »Caio, hol einen Eimer Wasser…«
    Es dauert etwas, bis die Tür offen ist. Der russische Bauarbeiter, der geklingelt hat, springt erst mal einen Schritt zurück, als er unsere gefletschten Zähne sieht. Dann fängt er wieder an zu reden, und es scheint ihm wieder sehr wichtig zu sein, und wir verstehen wieder kein Wort. Zum Glück haben wir diesmal Hendrik am Start. Wir lassen den Russen seinen Text wiederholen, und er übersetzt. Jedem von uns ist im gleichen Moment klar, dass die Botschaft wirklich wichtig ist. Äußerst wichtig. Überlebenswichtig. Wir wissen, was wir zu tun haben, und fangen sofort damit an.

Peymann
     
    Das Presse-Vorgeplänkel um die Arturo-Ui-Aufführung hat natürlich gewirkt. Je näher ich an das Berliner Ensemble herankomme, umso mehr Hiphopper sehe ich. Am meisten prägen aber Unmengen von Kampfanzug-Polizisten das Straßenbild. Richtig beunruhigend ist das Ganze aber nicht. Die Stimmung ist ungefähr so wie eine halbe Stunde vor Anpfiff eines Bundesliga-Lokalderbys vor dem Stadion. Ab und zu ein Spruch oder ein Pöbelgesang. Vorzeichen für eine Straßenschlacht sehen anders aus.
    Die Theaterbesucher, die überwiegend noch nie die Stimmung vor einem Lokalderby erlebt haben, sehen das natürlich anders. Vor allem, dass die Hängepopohosen nicht nur vor dem Theater, sondern auch im Theater sind, beunruhigt sie. Aber bei anderer Gelegenheit immer rumjammern, dass die Jugend keinen Sinn für Kultur hat…
    Meine Eltern im Foyer zu finden ist nicht schwer. Mein Vater hat nämlich wieder sein unmögliches kariertes Jackett an. Ein Neues

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