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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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auch?«
    »Arrrrgh!«
    »Leichte Verstauchung, keine Fraktur. Schön stillhalten.«
    »Hnnnng!«
    Angesichts dessen, was in den letzten Minuten passiert ist, ist es nun für einige Augenblicke geradezu himmlisch ruhig. Ich beobachte versonnen, wie Gonzo zärtlich auf Amelie einredet, die langsam wieder die Augen aufmacht, und wie Tobi aus dem Sesamstraßenschlips eine provisorische Armschlinge für Herrn Wohlgemuth knotet.
    Ich liege noch auf dem Boden, und mir brummt der Schädel. War halt doch kein Fußball, sondern etwas, was rein gewichtsmäßig mit einem halben Dutzend Medizinbällen gleichzusetzen ist. Und Kopfbälle sollen ja sowieso auf die Dauer recht ungesund sein. Trotzdem reiße ich mich zusammen und überlege, wie wir denn nun am geschicktesten an das begonnene Gespräch mit Herrn Wohlgemuth anknüpfen könnten.
    Das war alles keine Absicht, das muss man als Erstes mal herausstellen. Und wir könnten ihm anbieten, dass er erst mal duschen kann, bevor wir weiterreden. Ha, das wäre sogar ein richtig kluger Schachzug. Erstens würde vielleicht Francesco in der Zwischenzeit auftauchen, und außerdem müsste Herr Wohlgemuth dann das warme Wasser wieder…
    Wir hören Holz bersten und unsere Wohnungstür fliegt krachend auf. Herr Wohlgemuth muss wohl einen Wimpernschlag vor uns mitbekommen haben, was jetzt kommt. Jedenfalls ist er, während wir noch gebannt dabei zusehen, wie die sechs Russenschläger im Gänsemarsch einmarschieren, ganz flink wieder auf den Beinen (auch hier wieder eine erstaunliche Parallele zu Inzaghi) und nimmt Reißaus. Wobei, Reißaus ist gut. Erstens ist Retos Zimmer, in das er sich flüchtet, eine Sackgasse, zumindest wenn man sich den Fünf-Meter-Sprung auf den Bürgersteig hinunter nicht zutraut, zweitens bleibt Herr Wohlgemuth mit seiner Sesamstraßenschlips-Armschlinge kläglich an der Türklinke hängen und kommt nicht mehr voran. Seine Stimme ist kieksig wie noch nie. Irgendwie eine Mischung aus Blondie und Verona Feldbusch.
    »Okay, okay! Wir können über alles reden! Zwei Monate mietfrei? Drei Monate? Ein halbes Jahr…?«
    Wir können ihm jetzt nicht auf die Schnelle alles erklären, denn wir müssen uns auf die Russen konzentrieren, die langsam, aber unaufhaltsam den Flur herunterschreiten und anscheinend durch nichts aufzuhalten sind, nicht einmal durch die unappetitliche Bescherung auf dem Fußboden. Tobi, Reto und ich stürzen in Gonzos Zimmer, während Hendrik zu seiner lange eingeübten Predigt auf Russisch ansetzt. Wir verstehen ihn zwar nicht, aber wir wissen, was er sagt: Nein, wir wussten nicht, dass Andrej Rebukanow der Name eines mächtigen Russenmafia-Paten ist, wir haben den nur aus einer alten Prawda herausgelesen, und nein, wir gehören nicht zur Camorra, und wir wollten Herrn Rebukanow keinesfalls mit der Karikatur auf unseren Plakaten verunglimpfen, und nein, Herr Wohlgemuth ist nicht unser Produzent, und er hat überhaupt nichts mit der Sache zu tun, und ja, natürlich haben wir inzwischen einen anderen Namen, können wir sofort beweisen, wir heißen jetzt nämlich (an dieser Stelle kommen wir drei mit dem ausgebreiteten neuen Transparent aus Gonzos Zimmer) Eduard Meier – Anarcho-Breitcore, okay?
    Die Russen scheinen zunächst nicht weiter beeindruckt von Hendriks Rede. Meter für Meter rücken sie weiter vor, und Herr Wohlgemuth droht vor Angst in Ohnmacht zu fallen. Nur ganz allmählich werden sie etwas langsamer und bleiben am Ende ganz stehen. Einer von ihnen fischt sein Handy aus der Tasche und ruft irgendjemanden an. Die anderen Russen haben derweil ihre Augen überall. Keiner von uns wagt zu atmen. Der Handy-Russe spricht. Wir starren Hendrik an, er traut sich aber nicht, uns irgendwelche Zeichen zu geben.
    Das Gespräch ist schnell zu Ende. Zuerst schweigt der Handy-Russe. Dann sagt er kurz etwas. Dann schweigen sie wieder. Dann beginnen sie zu lachen. Erst leise, dann immer lauter.
    Wir tun das auch, weil wir irgendwie alle das Gefühl haben, dass das auf jeden Fall kein Fehler ist. Am lautesten lacht Herr Wohlgemuth. Seine Stimme schwebt schrill und völlig hysterisch über allem anderen. Kein Wunder, er hat heute auch wirklich eine Menge mitgemacht.
    Die Russen ziehen, immer noch lachend, ab. Ich, Tobi und Reto kriegen dabei freundschaftliche Klapse auf die Schultern. Die Anordnung unserer inneren Organe wird dabei nachhaltig durcheinandergebracht, aber wir lassen uns nichts anmerken und lachen weiter. Alles wieder auf Anfang. Ein

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