Kaltduscher

sich das vor? Gonzo stürmt einfach über mich hinweg. Die anderen schnappen ihn mit vereinten Kräften kurz vor der Wohnungstür.
    »Scheiße! Was machen wir jetzt?«
    NÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄTH! Poch, poch, poch!
    »Ja, sofort, Herr Wohlgemuth!«
    »Wir müssen ihn einsperren.«
    »Nein, hier rein, Reto! Francescos Zimmer kann man abschließen.«
    »Ich geh mit rein.«
    »Bist du sicher, Amelie?«
    NÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄHT! Wumm, wumm, wumm!
    »Sekündchen noch.«
    Wir schaffen es mit vereinten Kräften, die beiden in Francescos Zimmer einzusperren. Gonzo haut noch kurz von innen gegen die Tür, aber Amelie scheint ihn zum Glück bald davon abbringen zu können.
    Wir schnaufen durch und öffnen.
    »Guten Tag, Herr Wohlgemuth.«
    »Na endlich, meine Herren. Glauben Sie vielleicht, ich habe den ganzen Tag Zeit?«
    »Wollen Sie sich nicht setzen?«
    »Was waren das eben für Geräusche? Haustierhaltung ist verboten, das wissen Sie ja wohl.«
    »Äh, das ist nur… vorübergehend.«
    »Möchten Sie was trinken?«
    »Wo ist Herr Krawanke? Ich hatte doch ausdrücklich gesagt, dass ich mit ihm sprechen will.«
    »Herr Krawanke ist auf dem Weg. Müsste jeden Moment hier sein. Wollen Sie wirklich nichts trinken so lange?«
    »Ein Augustiner, frisch vom Fass?«
    Die Begierde ist in Herrn Wohlgemuths Augen deutlich zu erkennen, aber er will weiter den harten Hund spielen.
    »Wie armselig. Den Verhandlungspartner durch Alkohol einlullen. Das ist ja wohl der älteste Trick der Welt.«
    »Also das ist jetzt eine Unterstellung.«
    »Wir hätten auch Bio-Apfelsaft da.«
    »Sind Sie eigentlich Christ, Herr Wohlgemuth?«
    »Das kann nicht wahr sein! Was tue ich hier? Ich stehe im Flur einer verlausten Dreckbude und rede Kokolores mit grenzdebilen Warmduschern. Wo ist Herr Krawanke? Wissen Sie eigentlich, dass mich jede Minute…«
    In diesem Moment hören wir ein wirklich fieses Geräusch. Und das Schlimme dabei ist, dass das fiese Geräusch nicht einmal annähernd so fies ist wie das, was wir dazu sehen: Ein schmaler Streifen von Francescos Zimmertür zersplittert, und das Blatt einer Kettensäge kommt zum Vorschein.
    Während wir starr vor Schreck zusehen, sägt die Kettensäge flugs eine mannsgroße rechteckige Öffnung. Das ausgesägte Türstück kracht auf den Boden. Gonzo tritt durch die Öffnung in den Flur und macht ein Gesicht, mit dem er locker Arnold Schwarzenegger beim Casting für Terminator ausgestochen hätte.
    Er geht langsam auf Herrn Wohlgemuth zu, hält ihm die Kettensäge vor die Nase und lässt sie aufknattern wie ein 16-jähriger Dorfjugendlicher sein frisiertes Mofa. Wir haben einen großen Fehler gemacht.
    »Ni… Nini… Niiiii…«
    Herr Wohlgemuth hat die Augen weit aufgerissen und taumelt rückwärts. Gonzos Augen sind dagegen nur noch Schlitze. Keiner von uns kriegt einen Ton heraus. Wir beobachten entsetzt, wie unser Mitbewohner unseren Vermieter Schritt für Schritt den Flur heruntertreibt, bis er schließlich mit dem Rücken an der Wand der neuen Toilette steht.
    »Du hättest besser nicht Warmduscher gesagt.«
    Gonzos Stimme klingt so kalt, als wäre sie nicht von dieser Welt.
    »Nini… Niiiiiii!«
    …
    Das wäre jetzt eigentlich die Stelle gewesen, an der im Sat1-Film der Werbeblock eingesetzt hätte. Und jeder von uns hätte wohl alles darum gegeben, wenn es jetzt ausnahmsweise auch mal im richtigen Leben so einen schönen satten Werbeblock gegeben hätte, so dass wir in aller Ruhe über einen Ausweg mit fairem, unblutigem Ende hätten nachdenken können. Aber Werbeblöcke kommen natürlich nie, wenn man sie braucht. Und so geraten wir nun alle in eine gewaltige Kettenreaktion. Mit krassen Folgen. Wobei – keiner hat das gewollt. Jeder verhält sich einfach nur so, wie es ihm sein Charakter und sein Instinkt vorgeben. Und leider kommt so eins zum anderen.
     

* Platz für einen Werbeblock *

     
    Den Anfang macht Reto mit seinem beneidenswerten Instinkt, in jeder Situation einfach das Naheliegende und Richtige zu tun: Er reißt den Sicherungskasten auf und macht mit einem schnellen Handgriff unsere gesamte Wohnung stromlos. Die Kettensäge hört sofort auf zu knattern. Eigentlich brillant, aber der Stromentzug spricht wiederum die Instinkte der Abwasserhebeanlage an, die es gar nicht mag, wenn man sie mitten bei der Arbeit stört. Die Röhren beginnen wieder zu wackeln und, da kann man sich jetzt drüber streiten, war es Zufall, oder hat Retos Röhrenkonstruktion