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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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haben. Ich bin ja mit meinen vom Museumsdienst und Schauspielertraining gestählten Körpersprachekenntnissen wenigstens manchmal leicht im Vorteil, aber das nützt mir gerade auch nichts, weil ich, während sie das gesagt hat, auf ihre staubigen nackten Füße auf den Holzplanken gestarrt habe und an Sommerurlaub am See denken musste.
    Sie holt einen etwas zerdrückten, aber durchaus noch rettbaren Joint aus der Hosentasche.
    »Hab ich von eurem neuen Mitbewohner. Biologischer Anbau. Willst du?«
    »Och ja, so zum Ausklang.«
    Sie biegt das Ding liebevoll zurecht und nimmt eins der Feuerzeuge, die auf dem Minibalkontisch liegen, um ihn anzuzünden. Es riecht sofort großartig.
    »Weißt du, dass Reto in der Schweiz mal im Knast war, Julia?«
    »Nö. Wegen Marihuanabesitz?«
    »Nö, weil er seine Drogenhandelsgewinne versteuern wollte.«
    »Der ist ja süß.«
    Wir nehmen beide ein paar tiefe Züge. Bilde ich mir das nur ein, oder höre ich jetzt wirklich Kuhglocken?
    »Gut, oder?«
    »Ja.«
    »Ich hoffe trotzdem, dass Reto unsere Wohnung nicht zum Dealerbezirk macht.«
    »Mir hat er gesagt, er will hier in Berlin auf was ganz anderes umsatteln. Er weiß nur noch nicht, auf was.«
    »Aha.«
    »Übrigens, dein Zimmer sieht ja ziemlich wüst aus. Wo schläfst du heute Nacht, äh, ich meine heute Vormittag eigentlich?«
    »Auf dem Gästehochbett.«
    Ich bin einfach zu blöd.

Anarcho-Breitcore
     
    Ich habe mich immer noch nicht getraut, Tobi zu fragen, wie man Amelies Herz gewinnen kann. Wobei, ehrlich gesagt, ich bin nicht sicher, ob es wirklich daran lag, dass ich mich nicht getraut habe. Ich meine, nicht dass ich mich in der vergangenen Nacht plötzlich Hals über Kopf in Julia verknallt hätte, aber ich frage mich, ob die unsichtbare Potter-Voldemort-Brücke zwischen uns wirklich nur Einbildung war. Wie auch immer, ich habe Tobi heute Morgen, kurz bevor Vollbart-Lukas und Punk-Erwin als letzte Partygäste aus der Wohnung gekrochen sind, jedenfalls wieder nicht über den geheimen Zugang zu Amelies Herz ausgequetscht, sondern quasi als Übersprungsfrage nachgebohrt, was denn eigentlich damals in dem Kreativ-Schreibkurs los gewesen war, nach dessen erster Stunde er und sie sich getrennt hatten.
    Ich hätte natürlich auch diesmal nichts erfahren, wenn nicht die ungewöhnliche Tageszeit und Retos Bio-Gras im Spiel gewesen wären. Das hatte Tobi nach langem Zieren nämlich doch noch probiert. Und biobekifft nahm er die Frage deutlich offener auf als sonst. Er grinste und holte ein paar beschriebene Blätter aus einem Geheimversteck in seinem Zimmer.
    »Die erste Übung in dem Schreibkurs hieß Tandem-Schreiben. Einer fängt an, schreibt einen Absatz, gibt das Blatt dem anderen, der liest es, schreibt weiter, gibt es wieder zurück und so weiter.«
    »Und deswegen habt ihr euch getrennt?«
    »Lies einfach.«
    Ich las.
    Amelie:
    Gwendolin hatte Schwierigkeiten, sich zu entscheiden, welchen Tee sie sich machen sollte. Earl Grey wäre früher ihre erste Wahl für einen gemütlichen Abend wie diesen gewesen, aber Earl Grey würde sie an Charles erinnern. Das wollte sie auf keinen Fall, auch wenn es viele glückliche Momente in ihrer gemeinsamen Zeit gegeben hatte. Die Wunden waren tief. Sein dominantes Auftreten, sein Ton, auftrumpfend, immer eine Spur zu ruppig und nicht zuletzt sein schäbiges Verhalten gegenüber ihrer sensiblen Freundin Susanne. Nein, Earl Grey war nicht das Richtige.
     
    Tobi:
    Währendessen hatte Lieutenant Charles Crenshaw, Anführer des Siebten Geschwaders der Galaxy-Alpha-Truppen, das sich gerade auf Mission im Orbit von Centaurus 3 befand, wichtigere Sorgen als die Neurosen einer hübschen, aber hoffnungslos melodramatischen Schnitte namens Gwendolin, mit der er vor über einem Jahr eine wilde Nacht verbracht hatte. »Lieutenant Crenshaw an Basisstation«, sprach er, ohne den Blick von dem mannshohen Zentralmonitor der Kommandobrücke abzuwenden, in seinen transgalaktischen Kommunikator. »Polarorbit gesichert. Bislang keine Spur von Widerstand…« Doch noch bevor er sich abmelden konnte, wurde sein Schiff von einem gewaltigen Granitorstrahl getroffen, der aus dem Nichts zu kommen schien. Charles schloss geblendet die Augen. Ein gewaltiger Ruck schleuderte ihn aus seinem Sitz quer über die Kommandobrücke.
     
    Amelie:
    Er schlug mit dem Kopf auf und starb nur wenige Sekunden später. Er hatte gerade noch genug Zeit, ein letztes Mal zu bedauern, dass er ausgerechnet die einzige Frau, der er je

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