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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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Versorgungsschacht wahrscheinlich in dieser Wand ist.«
    »Und?«
    »Und Herr Wohlgemuth hat ihm tausendmal gesagt, dass sie trotzdem reinstemmen sollen. Er hat sich sogar danebengestellt und zugeschaut. Und dann… na ja, muss einen ordentlichen Funkenregen gegeben haben.«
    »Und was war das für eine Geste mit dem Meißel nach oben?«
    »Och, er hat nur netterweise angeboten, dass wir, bis das wieder repariert ist, was von ihrem Baustrom abhaben können. Müssten sie nur ein Loch in die Decke machen für das Kabel.«
    »Hm. Na, bleibt uns wohl nichts anderes übrig.«
    Als wir zurück in die Küche kommen, läuft die Musik aber seltsamerweise schon wieder.
    »Na, kommt schon, ihr dürft ruhig staunen.«
    »Powered by Agentur Forza Idee.«
    Wir sehen das Verlängerungskabel auf dem Boden und folgen seinem Verlauf durch die Küchentür, über den Flur, durch Retos Zimmer, aus dem Fenster raus und durchs nächste Fenster im ersten Stock des Nachbarhauses wieder rein, direkt in die Räume der Werbeagentur. Wir gehen zurück.
    »Äh… danke. Also, das ist wirklich nett von euch.«
    »Hm, und bekommt ihr da auch keinen Ärger?«
    »Ach, eure paar Kilowatts.«
    »Wir kriegen sowieso Sonderkonditionen, weil wir jetzt einen ukrainischen Billig-Stromanbieter als Kunden haben, der den deutschen Markt aufmischen will.«
    »Wollten sich Nuclear Superpower nennen. Haben wir ihnen aber zum Glück ausreden können.«
    »Der deutsche Endverbraucher tickt eben ganz anders.«
    »Und wie heißen sie jetzt?«
    »Unser Creative Director schwankt noch zwischen Grünkraft und Sonnenschein. «

Konst
     
    Ganz toll. Nicht nur, dass wir jetzt ukrainischen Atomstrom aus der Steckdose einer zynischen Werbeagentur ziehen. Bestimmt glauben Elvin und Adrian jetzt auch endgültig, dass unsere Küche ihr neuer Pausenraum ist, denke ich zähneknirschend, während ich mit Tobi das elend schwere Fender-Rhodes-Piano über den Hof in die Kunstgalerie schleppe. Warum haben wir eigentlich keine Sackkarre?
    Und Amelie hat auch nur noch Lambert im Sinn. Was für eine Verschwendung. Aber das soll mich jetzt nicht kümmern. Manchmal ist es gut, einfach nur an den nächsten Schritt zu denken und alles andere auszublenden. Und der nächste Schritt heißt Gig bei den Galeriekoksern.
    Die sogenannte Kunstgalerie sieht aus, als wäre hier die DDR in einer Zeitkapsel konserviert worden. Gut, in einer Zeitkapsel, in die inzwischen jede Menge klebriger Partyschmutz eingedrungen ist, aber sonst ist hier wirklich nichts angefasst worden. DDR-Plastikboden, DDR-Tapete, DDR-Fenster, DDR-Lampen, DDR-Stühle und natürlich DDR-Duft. Eigentlich unglaublich. Fast zwanzig Jahre ist das mit dem Mauerfall her, und hier riecht es immer noch nach dem sozialistischen Universal-Desinfektionsmittel Wofasept. Wie nachhaltig sich das in alle Poren reingefressen hat. Hier muss früher mal ein wahrer Putzteufel gehaust haben. Hendrik hat mir mal aus Spaß eine Flasche von dem Zeug unter die Nase gehalten. Eigentlich ist der Duft unbeschreiblich. Am ehesten trifft man es vielleicht, wenn man sich billiges, total vergilbtes und verstaubtes Papier vorstellt, das mit Essig übergossen wird. Mein erster Impuls nach der Duftprobe war jedenfalls, mich freiwillig in die Psychiatrie einweisen zu lassen.
    Die Krönung der DDRigkeit sind hier allerdings die klotzigen Brillen und die Frisuren der beiden Galeriebetreiber. Fast schon hyperreal, diese Betonseitenscheitel. Zudem ein interessanter Kontrast zu den fettigen Zottellocken des Künstlers, der in einer Ecke des Raums auf dem Boden kauert und laut auf Englisch vor sich hin fluchend noch schnell was fertigmalt.
    Leider können wir die Schlepperei nur zu dritt erledigen. Francesco ist noch in der Arbeit, Gonzo hat sich abgemeldet, weil er noch ein Andrej-Rebukanow-Transparent basteln wollte, das wir hinter die Bühne hängen können, und Reto hat sich bereit erklärt, schon mal mit dem Hausputz anzufangen. Die Unterbesetzung beim Schlepp-Team merkt man sofort in den Armen. Ich kriege im Zweifelsfall sowieso immer die schwersten Lasten aufgeladen, weil ich der Einzige bin, der nachher seine Finger nicht zum Spielen braucht. Ich sollte mir mal eine Alibi-Gitarre zum Mitschrammeln besorgen.
    Tobi hat es sich schon wieder gemütlich gemacht.
    »Jetzt frickel nicht schon wieder an deinem Schloss rum. Wir müssen noch mindestens zweimal gehen.«
    »Hm? Ach so, ja.«
    Die Option, meinen Sänger-Posten an Punk-Erwin weiterzureichen hat sich erledigt.

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