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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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die Radiofritzen warten nicht ewig. Wir machen es einfach so: Hendrik liest weiter, und wenn Lambert das nächste Mal jault, nehmen wir genau den Namen, der gerade dran war. Ohne Wenn und Aber.«
    »Taimuras Mamsurow… Alexander Dsasochow… Jewgeni Primakow… Konstantin Titow…«
    »War der nicht Astronaut?«
    »Kosmonaut.«
    »Ruhe!!!«
    »Michail Kassjanow… Boris Nemzow… Andrej Rebukanow…«
    »Jauuuul!«
    »Bingo! So heißen wir ab jetzt. Andrej Rebukanow – Anarcho-Breitcore. Ich ruf gleich bei Kiss FM an.«
    »Hendrik! Du hast Lambert am Schwanz gezogen.«
    »Nur ganz leicht.«
    »Wie kannst du nur…«
    »Andrej Rebukanow hat mir irgendwie gefallen, und außerdem macht es Spaß, Zufallsentscheidungen heimlich zu steuern… he, was ist auf einmal mit der Musik?«
    »Weiß nicht, die Anlage ist tot.«
    »Licht geht auch nicht mehr… Toaster auch nicht… der Strom ist weg.«
    »Ich schau mal nach der Sicherung.«
    »Tobi, was frickelst du da eigentlich die ganze Zeit unter dem Tisch rum?«
    »Hm? Ach so, ich versuch nur, dies Schloss hier aufzukriegen.«
    »Hä, was für ein Schloss?«
    »Na dies hier. Hab ich von Arne. Das ist jetzt der neue Hacker-Sport. Analoge Schlösser knacken. Man braucht nur ein Pick-Set.«
    »Pick-Set?«
    »Na, das ist so die Grundausrüstung.«
    Tobi schwenkt einen Bund aus feinen Stahlhäkchen, der genau so aussieht wie der Dietrichbund, den die Bartstoppel-Einbrecher in Seniorenzeitschriften-Cartoons immer am Gürtel tragen.
    »Wetten, dass ich diesen Standard-Baumarkt-Schließzylinder, im ahnungslosen Volksmund auch Sicherheitsschloss genannt, in fünf Minuten aufgekriegt habe?«
    Tobi mal wieder. Wenn ihn erst mal was gepackt hat…
    »Die Sicherung ist drin. Das mit dem Strom muss an irgendwas anderem liegen.«
    »Arne schafft das Schloss sogar in weniger als einer Minute, aber der hat auch schon Übung.«
    »Dann haben wohl die Georgier irgendwo die Versorgungsleitung angebohrt.«
    »Gehen wir mal nachsehen.«
    »Da! Ich habs schon offen, Arne!«
    »Wow, das ging aber schnell. Du hast Talent. Probier mal das hier. Das ist ein Chubb-Schloss. Sozusagen das nächste Level.«
    Ich ziehe mit Hendrik los. Die Georgier werkeln im Erdgeschoss hinter der Kunstgalerie am Übergang zum Seitenflügel. Kurz bevor wir sie erreichen, kommt uns natürlich wieder Herr Wohlgemuth entgegen.
    »Sieh an, Herr Krachowitzer und Herr Pranske. Was führt Sie denn hierher? Doch nicht etwa wieder Probleme mit den Stemmarbeiten?«
    Zum Glück ist Gonzo diesmal nicht dabei.
    »Iwo. Wir wollten nur mal Ihren Georgiern zugucken, Herr Wohlgemuth.«
    »Vielleicht können wir von denen noch was lernen.«
    »Presslufthammer-Ansetzwinkel, Meißelbreite und so weiter, das ist ja eine ganze Wissenschaft für sich.«
    »Herr Pranske hat nämlich eine Großbaustelle in Klein Ziethen, müssen Sie wissen.«
    »Besonders interessieren mich regional bedingte Stemmtechnik-Unterschiede.«
    »Wirklich ein hochinteressantes Thema.«
    »Der Georgier stemmt zum Beispiel äußerst rückenschonend.«
    »Dieses Wissen wird dort unten schon seit Generationen weitergegeben.«
    »Unbezahlbar ist das, Herr Wohlgemut, unbezahlbar.«
    »Warten Sie mal ab. In spätestens fünf Jahren bieten die Krankenkassen hier kostenlose Kurse für Bauarbeiter in georgischer Stemmtechnik an.«
    »Kommen Sie doch mit. Das sehen wir uns gemeinsam an… was ist denn mit Ihrer rechten Wange los, Herr Wohlgemuth?«
    Wir verabschieden uns und gehen weiter. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass er sich eine Zigarette ansteckt und dabei Schluckauf bekommt. Ich glaube, wir müssen langsam aufpassen, dass wir es nicht zu weit treiben.
    Bei den Georgiern finden wir das, was wir schon erwartet haben. Ein aufgestemmter Versorgungsschacht, Schmorgeruch in der Luft und ein schreckensbleicher Arbeiter mit zitternden Knien. Hendrik redet ein wenig auf Russisch mit dem Ältesten des Trupps. Baufachleute wie die beiden finden immer sofort einen Draht zueinander, egal in welcher Sprache. Der Georgier-Chef macht während des Gesprächs ein paar beunruhigende Gesten mit seinem Meißel nach oben in Richtung unserer Wohnung. Ich sehe zur Decke. An vielen Stellen fehlt der Putz. Zwischen uns und diesem Baudreck-Inferno hier liegt quasi nichts mehr als ein paar lächerliche Balken und Dielenbretter.
    Nachdem Hendrik sein Fachgespräch beendet hat, gehen wir wieder hoch. Er lacht bitter.
    »Der Georgier-Chef hat Herrn Wohlgemuth tausendmal gesagt, dass der

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