Kaltduscher
Hand.
»Es reicht, meine Herren. Wenn Sie glauben, dass ich erlaube, dass Sie hier mit Ihren akustischen Dampframmen das Haus zum Einsturz bringen, dann haben Sie sich geschnitten!«
Ob er sich dabei mit Absicht so positioniert hat, dass Gonzo ihm am nächsten steht und wir anderen nicht die geringste Chance haben, ihn aufzuhalten? Ich könnte natürlich pro forma noch versuchen, ihn mit einem Kevin-Costner-Bodyguard-Neiiiiiiiiiiiiin-Hechtsprung aufzuhalten, aber damit würde ich höchstens meinen guten Willen beweisen. Wir sehen mit angehaltenem Atem zu, wie das Verhängnis seinen Lauf nimmt.
»SIE… SIE WAS FÄLLT IHNEN EIN! EINFACH DEN STECKER RAUSZIEHEN! WAS GLAUBEN SIE, WAS DA ALLES KAPUTTGEHEN KANN?«
Immerhin siezt er ihn. Äußerst beunruhigend ist aber, dass er seine Gitarre wie eine Keule über seinem Kopf schwingt. Wir versuchen, ihm gut zuzureden.
»Nicht die gute Gibson, Gonzo!«
»Ist er doch gar nicht wert!«
Zwecklos.
»WENN SIE UNSERE BOXEN ZERSCHOSSEN HABEN, DANN REIß ICH IHNEN DEN ARSCH KREUZWEISE AUF! UND JETZT VERSCHwinden Sie, aber ganz fi . oder, äh, tja, nun… «
Hm, einerseits ist es gut, dass Gonzo sich beruhigt, aber andererseits kann das nur heißen, dass etwas absolut Extraordinäres passiert sein muss.
»Ääääääähm… möchten Sie vielleicht… ein Bier… Herr Wohlgemuth? Oder… äh, soll ich Sie vielleicht mit einer der Damen bekannt machen…? Alles kein Problem…«
Ich habe mich ein paar Schritte herangepirscht und erkenne jetzt den vollen Umfang des Schlamassels. Hinter Herrn Wohlgemuth stehen sechs Russen. Also, ich meine Russen. Nicht so Leute, die einfach nur drolligen Akzent sprechen, sondern richtig fiese Klischee-Geldeintreiber, alle mindestens zwei Meter groß, pechschwarze Anzüge, die nur äußerst mühsam die mächtigen Körper im Zaum halten, Hände wie schwere gusseiserne Bratpfannen und ein Gesichtsausdruck, der jeden, der sie ansieht, sofort in den gleichen emotionalen Zustand versetzt wie den von Lambert, als ich vorhin die Klettverschlüsse aufgemacht habe.
Ich hab ja schon geahnt, dass wir es zu weit getrieben haben. Und jetzt hat Herr Wohlgemuth einfach überreagiert. Die Kerle sind bestimmt nicht ganz billig…
Seine Augen werden zu Schlitzen.
»Ich möchte jetzt sehen, wie Sie Ihr Krachzeug abbauen und verschwinden lassen.«
»Ja, Herr Wohlgemuth.«
»Wollten wir sowieso gerade.«
»Umso besser. In einer Stunde schau ich noch mal vorbei. Haben wir uns verstanden?«
»Ja, Herr Wohlgemuth.«
»Das hoffe ich für Sie.«
Er macht auf dem Absatz kehrt und wühlt sich durch die konsternierte Menge nach draußen. Die Russen gucken für einen winzigen Moment ratlos. Dann gehen drei von ihnen Herrn Wohlgemuth hinterher. Die Zurückgebliebenen wollen anscheinend noch etwas Stress machen, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Einer packt Vollbart-Lukas am Fußgelenk, hebt ihn kopfüber in die Luft und schüttelt ihn so lange, bis ein Feuerzeug aus seinen Hosentaschen rausfällt. Der andere hebt es auf, während der dritte Gonzos Transparent von der Wand fetzt. Als er damit fertig ist, knüllt er es unter seinem Arm zusammen. Danach streben die drei ebenfalls Richtung Ausgang. Der letzte Russe streichelt den Scheitelkokser an der Tür im Vorbeigehen mit dem kleinen Finger sanft am Bauch, worauf der röchelnd in sich zusammensackt. Durch die Schaufensterscheiben können wir sehen, wie sie das Transparent draußen auf den Boden schmeißen, eine Flüssigkeit aus einer Plastikflasche drüberkippen und es mit Lukas’ Feuerzeug anzünden. Herr Wohlgemuth und die anderen drei sind nicht mehr zu sehen.
»Alter Schwede.«
»Der Wohlgemuth.«
»Was für eine Performance.«
»Der meints jetzt wirklich ernst.«
»Schon ein bisschen krank, sein Hang zur Dramatik.«
»Sag mal, Krach, jetzt, wo wir nicht mehr spielen dürfen, kann ich bitte mein Schloss wiederhaben?«
*
Das Zurückschleppen ging schnell, weil fast das ganze Publikum mitgeholfen hat. So ein bisschen Aktion kam den meisten sehr gelegen, um schneller den üblen Nachgeschmack des Russenbesuchs loszuwerden. Vor allem Vollbart-Lukas fiel dadurch auf, dass er sich ausnahmsweise mal komplett verausgabte.
Inzwischen hat DJ Zone angefangen aufzulegen. Mit der Lautstärke hält er sich etwas zurück. Nur für alle Fälle. Weiß ja keiner, ob Herr Wohlgemuth die Russen womöglich für die ganze Nacht gebucht hat. Vielleicht gabs da einen günstigen Pauschalpreis. Andererseits hat er
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