Kaltduscher
muss Dr. Grobe Bescheid sagen. Schnell ein paar unauffällige Blicke in willkürliche Richtungen, denn Lytton und sein Komplize dürfen nicht merken, dass ich auf sie aufmerksam geworden bin, dann stehe ich auf, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, und schlendere aus meinem Aufpassraum, als müsste ich mal wohin. Warum haben wir eigentlich keine Funk-Headsets? Nicht auszudenken, wie viel wertvolle Zeit verlorengehen würde, wenn hier mal eine besoffene Football-Mannschaft mit Teppichmessern randalieren würde. Zum Glück finde ich Dr. Grobe gleich im Büro.
»Oliver? Haben Sie etwa Ihren Raum…?«
»Es ist was Wichtiges, Herr Dr. Grobe. Da sind zwei Männer, und, nun ja, also ich bin sicher, dass sie Kunstdiebe sind.«
»Aha. Und deswegen lassen Sie die allein, damit sie ungestört ihr Handwerk verrichten können, oder wie soll ich das verstehen?«
»Nein, das sind keine primitiven Ganoven. Das sind Superprofis. Die checken unsere Sicherungssysteme aus und steigen dann nachts ein. Wahrscheinlich kriecht er durch die Lüftungsschächte oder was weiß ich. Jedenfalls wollte ich Ihnen Bescheid sagen.«
»Aha. Jetzt nur mal eine kleine und wahrscheinlich völlig unangemessene Detailfrage: Woher wollen Sie das wissen?«
»Die Körpersprache, Herr Dr. Grobe.«
Dr. Grobe holt tief Luft.
»Gut, ich komme mal mit. Aber nur, weil Sie es sind und nicht André oder einer von den anderen Leichtfüßen.«
Auf dem Weg zu meinem Aufpassraum gebe ich Dr. Grobe noch eine kurze Einführung in das Thema »Körpersprache«. Gleichzeitig stelle ich anhand seiner Körpersprache fest, dass ich mit jedem Wort meines Vortrags ein wenig näher an André und die Leichtfüße heranrücke.
»Sehen Sie, sie sind noch da, Herr Dr. Grobe. Und sie schauen immer noch das gleiche Bild an.«
»Sie meinen die beiden Herren?«
»Genau. Schauen Sie besser nicht so auffällig hin.«
Dr. Grobe holt wieder tief Luft.
»Dann muss ich Ihnen mal was sagen, Oliver.«
Weia, dieser Tonfall.
»Das da rechts ist Herr Bangemann. Herr Bangemann kommt von der Versicherung, die diese Ausstellung versichert hat, zu einem wahren Freundschaftspreis versichert hat, muss ich hinzufügen, und der andere Mann ist sein technischer Mitarbeiter. Sie prüfen routinemäßig, ob die Sicherheitsstandards eingehalten werden.«
Ha, das war es also. Da muss man aber auch erst mal drauf kommen. Im Prinzip hatte ich also recht, hab nur die falschen Schlüsse gezogen.
Dr. Grobe sieht mich streng über seine Halbmondbrillengläser hinweg an.
»Vermutlich wird mir Herr Bangemann heute noch ein paar sehr unangenehme Fragen stellen, warum die Aufsicht hier einfach den Raum verlassen hat.«
»Tja, Herr Dr. Grobe, da war ich wohl ein bisschen…«
»Nein, Oliver, machen Sie sich mal keine Gedanken. Das konnten Sie nicht wissen. Soll ich Ihnen was sagen? Ich habe manchmal den Eindruck, Sie sind der Einzige, der versteht, dass er hier einen wichtigen Job macht.«
»Na ja, man tut, was man kann.«
»Was für berufliche Pläne haben Sie im Moment eigentlich?«
»Ich bereite mich gerade auf die Aufnahmeprüfung für die Ernst-Busch vor.«
»Schauspieler?«
»Ja.«
Dr. Grobe runzelt die Stirn.
»Überlegen Sie sich das gut, Oliver. Ich finde, in Zeiten, in denen sogar Menschen wie dieser, wie heißt er noch, Bushito eingeladen werden, an einem hoch renommierten Haus wie dem Berliner Ensemble zu inszenieren, muss man sich schon fragen, ob Schauspieler noch ein erstrebenswerter Beruf ist.«
»Hm, mag sein.«
»Denken Sie doch auch mal über Kunstgeschichte nach.«
»Mach ich, Herr Dr. Grobe.«
*
Nein, hier sehe ich kein Land. Viel zu viele Hosen. Und aus den Namen, die H&M seinen Modellen verpasst, werde ich auch nicht schlau. Was ist der Unterschied zwischen »Classic« und »Original«? Oder zwischen »Sliq« und »Drain«? Ganz zu schweigen von »Bragg« und »Lad« und »Bootcut«. Am liebsten würde ich es mir einfach gemütlich machen und warten, bis Amelie kommt. Aber sich irgendwo auf eine Stufe lümmeln geht nicht, da kommt bestimmt gleich das Security-Arschgesicht und fragt, ob es mir helfen kann. Also blättere ich einfach ein bisschen in den T-Shirts. Wenn wir hier fertig sind, frag ich Amelie, ob ich noch eine Runde mit Lambert Gassi gehen soll. Damit er sich an mich gewöhnt. Ja, das ist gut. Erstens, wie gesagt, ein Test für mich, zweitens bin ich bestimmt der Erste, der ihr das anbietet. Das bringt Punkte auf allen Ebenen.
»Ich
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