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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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eigentlich keinen Grund, die Galeriekokser zu schikanieren, weil die sowieso nur einen Mietvertrag haben, mit dem er sie jederzeit rausschmeißen kann. Aber besser mal vorsichtig sein. In der Stimmung, in der er gerade ist, wird er dazu neigen, übers Ziel hinauszuschießen.
    Von Reto ist immer noch keine Spur zu sehen. Stattdessen klebt der Prinz-Praktikant wieder an meinen Hacken.
    »Hat mir wirklich gut gefallen, muss ich schon sagen. Also ich meine, das Wenige, was ich gehört hab. Echt schade. Was hatten die Russen eigentlich für ein Problem mit euch?«
    »Ach weißt du, das kommt immer wieder vor, dass uns die Major Labels ihre Schläger auf den Hals hetzen. Die haben Angst vor uns. Aber jetzt entschuldige mich bitte kurz, ich muss aufs Klo.«
    »Aber natürlich.«
    »Wenn du noch Fragen hast, wende dich am besten an den da hinten in der Ecke, der dauernd mit dem Schloss rumfummelt.«
    Eigentlich ist das Klo der Ort in der Galerie Ostler, den man wirklich unbedingt meiden sollte, weil es da am schlimmsten nach DDR riecht. Aber als ich meinen Fluchtort erreiche, merke ich, dass ich tatsächlich muss. Manchmal werden solche Bedürfnisse ja schon allein durch den Anblick einer Kloschüssel ausgelöst. Als ich wieder draußen bin, schnappe ich mir den Scheitelkokser, der vorhin an der Tür stand. Von dem Russen-Magenschwinger vorhin hat er sich inzwischen ganz gut erholt, und die erste Line hat er offensichtlich auch schon in der Nase.
    »Was ich schon immer mal fragen wollte, wie kann es eigentlich sein, dass es hier immer noch so nach DDR riecht?«
    »Hihi, wirkt doch sehr authentisch, oder?«
    »Auf jeden Fall.«
    »Hihi.«
    »Aber dass das hier immer noch so stark ist?«
    »Hihi, ehrlich gesagt, wir helfen ein bisschen nach.«
    »Sag bloß, ihr putzt mit DDR-Putzmittel?«
    »Hihi, nein, wir sprühen es einfach nur in die Luft.«
    »Ihr seid krank.«
    »Hihi, als Off-Galerie braucht man nun mal Ost-Ambiente.«
    »Dir ist aber schon klar, dass das hier trotzdem nie so richtig DDR sein wird?«
    »Wieso?«
    »Weil ihr rheinischen Akzent sprecht.«
    Er grinst und haut mir auf die Schulter.
    »Hihi, scheiße aber auch.«
    Komisch. Ich muss bei seiner Frisur immer an Herrn Schulz denken, unseren Spießer-Nachbarn aus Lichterfelde, der während meiner Schulzeit immer durchsetzen wollte, dass ich nicht mit meiner Band in unserem Reihenhauskeller proben darf. Eine ungute Erinnerung.
    Während ich noch grüble, kommt Tobi auf mich zu.
    »Kannst du mir bitte wieder mein Schloss wegnehmen?«
    »Warum denn das?«
    »Ich glaube, ich krieg Sehnenscheidenentzündung.«
    »Na gut, gib her.«
    »Danke, und gib es mir bitte erst in einer Woche zurück, egal, was ich sage.«
    »Mach ich… äh, Tobi, ich wollt dich eigentlich immer schon mal fragen, also wegen Amelie…«
    Ich kriege weiche Knie. Wie erbärmlich.
    »Alles klar, du willst wissen, ob Amelie in dich verliebt ist?«
    »Nein, nein, wo denkst du hin!«
    »Ach so.«
    Wo sind die Russen hin? Ich brauche dringend einen Straftritt in den Magen.
    »Hm, aber wie ist das denn, also nur mal so im Großen und Ganzen betrachtet…«
    »Krach, wir sind nicht mehr zusammen, und sosehr ich sie mag, in der Sache hat das Schicksal einfach mal einen sehr klugen Schachzug gemacht.«
    »Du meinst, es ging einfach nicht?«
    Tobi seufzt.
    »Zum ersten Mal habe ich es geahnt, als sie mir 2002 den Schlips mit Klaviertastenmuster zum Geburtstag geschenkt hat. Und als sie ein halbes Jahr später auch noch zwei komplette Jahrgänge Dragonball ins Altpapier geworfen hat, ohne auch nur zu ahnen, was sie da tut, wusste ich es ganz sicher. Leider war die Müllabfuhr schon weg.«
    »Hm, das ist hart.«
    »Vor allem, weil es ihr nur darum ging, Platz für einen Gummibaum zu schaffen. Also willst du jetzt wissen, ob Amelie in dich verliebt ist, oder nicht?«
    »Also, um genau zu sein… ja!«
    »Also, im Moment, glaube ich, eher nicht.«
    »Okay.«
    »Aber Chancen hast du, glaub ich, schon bei ihr.«
    Diese Offenheit auf einmal. Ich hätte mich schon viel früher trauen sollen zu fragen.
    »Hm, und was soll ich tun?«
    »Ehrlich gesagt, keine Ahnung.«
    »Okay.«
    »Das Gute an Amelie ist aber, dass du bei ihr genau erkennen kannst, wenn sie in dich verliebt ist.«
    »Wie denn das?«
    »Dann macht sie eine Lasagne für dich.«
    »Eine Lasagne.«
    »Frag mich nicht, warum. Ich weiß nur, dass es so ist. So, und jetzt muss ich mal auf den Entsafter. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich zum

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