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Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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ist die sinnvollste Investition deines Lebens. Überleg mal, wie viel Geld du bis jetzt schon verpulvert hast. Acht Jahre lang jeden Monat sechshundert, siebenhundert, achthundert Mark. Das sind rund zehntausend im Jahr. Achtzigtausend bis jetzt. Da sind die zwölftausend doch wirklich ein Klacks.«
    »Ich denke darüber nach.«
    »Einverstanden.«
    Günter hatte nicht lange nachdenken müssen. Ein sicheres Examen gegen die vage Chance, es selbst zu versuchen und doch wieder zu scheitern. Zwölftausend Mark für eine Zukunft.
    Er vertraute sich seinem Großvater an. Der gab ihm die zwölftausend und nahm sein Geheimnis fünf Jahre später mit in das sprichwörtliche Grab. Johannes schrieb die Klausuren. Natürlich so mittelmäßig, dass er sie hätte schreiben können, aber doch so gut, dass ein Durchfallen ausgeschlossen war.
    Günter war froh, dass sich ihre Wege sofort danach trennten.
     
    »Jetzt kennst du mein Geheimnis«, sagte er mit der Erleichterung des Täters nach dem Geständnis. »Mein Leben, meine ganze Karriere hier beruht auf einer Lüge. Ich habe mir das zweite Examen durch eine Straftat erschlichen.«
    Wiebke lachte laut auf. Sie konnte sich gar nicht mehr einkriegen. Normalerweise erfreute sie ihn mit ihrem Lachen, doch heute war das anders.
    »Was lachst du so hysterisch?«, fragte er sichtlich verärgert. »Ich stehe vor den Trümmern meiner Existenz, und du lachst.«
    »Willkommen im Club«, sagte sie. »Was glaubst du, wie viele zur Wende ihre Akten aufpolierten, damit sie auch nach der Wiedervereinigung eine Chance hatten? Das alles ist doch längst verjährt. Wovor hast du Angst?«
    »Es ist nicht wegen der dämlichen Urkundenfälschung. Es ist der Paragraf 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes.«
    »Der was besagt?«
    »Wenn staatliches Handeln wie zum Beispiel meine Ernennung zum Staatsanwalt und zum Beamten des Landes Mecklenburg-Vorpommern erschlichen wurde, kann dieser sogenannte Verwaltungsakt widerrufen werden. Dafür ist ein Jahr Zeit. Die Frist läuft aber erst an, wenn meine vorgesetzte Stelle den ganzen Sachverhalt kennt.«
    »Du sagtest, sie können widerrufen. Sie müssen also nicht.«
    »In meinem Fall müssen sie wohl schon. Das nennt man Ermessensreduzierung auf null. Wenn eine Verbeamtung durch falsche Zeugnisse erschlichen wurde, bleibt meinem Chef gar nichts anderes übrig.«
    »Scheiße«, sagte Wiebke. »Wieso kann dir dieses Arschloch die Sache nach zwanzig Jahren eigentlich noch beweisen? Hat er den gefälschten Ausweis noch?«
    »Nein, den habe ich gegen die letzte Rate der zwölftausend Mark einkassiert. Aber er hat die Originalklausuren, die längst vernichtet sein müssten, und die Zuordnungsliste, aus der hervorgeht, dass Prüfling Nummer 121 ein gewisser Günter Menn war. Weiß der Teufel, wie er an die Papiere gekommen ist. Jetzt lagern Sie jedenfalls in seinem Safe. Man braucht keinen besonders begabten Grafologen, um nachzuweisen, dass derjenige, der diese Klausuren geschrieben hat, nicht der ruhmreiche Oberstaatsanwalt Menn, der Schrecken aller Betrüger und Falschmünzer nördlich von Braunschweig, war.« Günter flüchtete sich in Sarkasmus.
    Wiebke aber hörte nur mit einem Ohr zu. Irgendwie schien sie abwesend zu sein, ihre Gesichtszüge wirkten versteinert. Dann jedoch entspannte sie sich sichtlich und lächelte ihn an. »Hör zu, Günter. Wir biegen die Sache hin. Ich weiß auch schon, wie. Erste Frage: Kannst du deinen sauberen Freund überzeugen, dir hunderttausend Euro in gebrauchten kleinen Scheinen zu geben?«
    »Wofür?«, fragte Günter irritiert.
    »Du könntest ihm sagen, die Summe bräuchtest du, um ein paar Kollegen zu schmieren.«
    »Das glaubt er mir aufs Wort. Und was willst du mit der Kohle?«
    »Später. Noch was: Du hast erzählt, die Klausuren lagern in seinem Büro in einem Safe. Weißt du zufällig, was das für einer ist?«
    »Zufällig ja. Es ist ein Burg-Wächter. Der gleiche Typ wie in meinem Büro.«
    »Ausgezeichnet«, jubelte Wiebke.
    »Ich finde das alles wenig ausgezeichnet.«
    »Aber ich. Lass die Sache meine Sorge sein.«
    Günter betrachtete sie. Er sah förmlich, wie ihr Hirn schnell und systematisch arbeitete. »Was soll deine Sorge sein?«
    »Wie wir das Problem lösen.«
    »Wiebke, bitte!«
    »Lass uns erst einmal alle Dinge erörtern, die notwendig für meinen Plan sind. Also: Kannst du kurzfristig einen Termin bei deinem Chef kriegen?«
    »Beim Generalstaatsanwalt? Sicher.«
    »Und bei den Juristenprüfungen wird

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