Kalte Herzen
Modell.
Eine Hinckley-Jacht, achtundvierzig Fuß lang. Sie sank in einen Stuhl, und ihr wurde übel. Du hast es mir verheimlicht, dachte sie. Du hast mir gesagt, du würdest dein Angebot zurückziehen. Dann hast du das Boot trotzdem gekauft.
Es ist dein Geld, schon gut. Damit ist wohl alles klar.
Ihr Blick wanderte über die Seite, bis sie zu den Zahlungsbedingungen kam.
Wenig später verließ sie das Haus.
»Organe gegen Cash. Ist das möglich?«
Dr. Ivan Tarasoff, der bis jetzt in seinem Kaffee gerührt hatte, bückte auf und sah Vivian an. »Haben Sie einen Beweis dafür?«
»Noch nicht. Wir fragen Sie nur, ob es möglich ist. Und wenn ja, wie man es bewerkstelligen könnte.«
Dr. Tarasoff ließ sich in die Couch zurücksinken und nippte an seinem Kaffee, während er darüber nachdachte. Es war Viertel vor fünf, und bis auf Assistenzärzte im OP-Kittel, die gelegentlich durch den angrenzenden Umkleideraum kamen, war der Aufenthaltsraum der Chirurgie am Mass Gen ruhig.
Tarasoff, der erst vor zwanzig Minuten aus dem OP gekommen war, hatte Talkum an den Händen, und die OP-Maske hing noch um seinen Hals. Als Abby ihn ansah, beruhigte sie wieder die Erinnerung an das Bild ihres Großvaters, die sanften blauen Augen, das silberne Haar, die ruhige Stimme. Die Stimme wirklicher Autorität, dachte sie, ist die eines Mannes, der sie nicht heben muß.
»Natürlich gab es immer mal wieder Gerüchte«, sagte Tarasoff.
»Jedesmal, wenn ein Prominenter ein Spenderorgan erhält, fragen sich die Leute, ob Geld im Spiel war. Aber es gab nie irgendwelche Beweise, nur Vermutungen.«
»Was für Gerüchte haben Sie gehört?«
»Daß man sich einen höheren Platz auf der Warteliste kaufen kann. Ich selbst habe es nie mit eigenen Augen gesehen.«
»Ich schon«, sagte Abby.
Tarasoff schaute sie an. »Wann?«
»Vor zwei Wochen. Mrs. Victor Voss war die Nr. drei auf der Warteliste und hat dennoch das Herz bekommen.«
»Das würde die UNOS nie zulassen oder die NEOB. Sie haben strikte Vorschriften.«
»Die NEOB wußte nichts davon. Sie hatten nicht einmal die Informationen über den Spender im System.«
Tarasoff schüttelte den Kopf. »Das ist schwer zu glauben.
Wenn das Herz nicht über UNOS oder NEOB gekommen ist, woher stammte es dann?«
»Wir glauben, Mr. Voss hat dafür bezahlt, daß es nicht durch das offizielle Registrierungssystem gelaufen ist, damit seine Frau es bekommen konnte«, sagte Vivian.
»So viel wissen wir bisher«, sagte Abby. »Stunden vor der Transplantation für Mrs. Voss wurde derTransplantationskoordinator am Bayside telefonisch unterrichtet, daß es im Wilcox Memorial in Burlington einen Spender gäbe. Das Herz wurde entnommen und nach Boston geflogen. Es traf um ein Uhr nachts in unserem OP ein, überbracht durch einen gewissen Dr. Mapes. Die Spenderunterlagen wurden mitgeliefert, sind jedoch irgendwie verschwunden. Jedenfalls hat sie seither kein Mensch mehr gesehen. Ich habe unter ›Mapes‹ im Verzeichnis chirurgischer Fachärzte nachgeschlagen. Es gibt keinen Chirurgen dieses Namens.«
»Wer hat die Entnahme durchgeführt?«
»Wir glauben, es war ein Chirurg namens Tim Nicholls. Sein Name steht im Verzeichnis, also wissen wir, daß er existiert.
Nach seinem Lebenslauf hat er im Rahmen seiner Ausbildung einige Jahre am Mass Gen zugebracht. Erinnern Sie sich an ihn?«
»Nicholls«, murmelte Tarasoff und schüttelte dann den Kopf.
»Wann war er hier?«
»Vor neunzehn Jahren.«
»Ich müßte die Unterlagen der Assistenzärzte einsehen.«
»Wir glauben, daß Folgendes passiert ist«, faßte Vivian zusammen. »Mrs. Voss brauchte ein Herz, und ihr Mann besaß das Geld, dafür zu bezahlen. Irgendwie hat er das verbreitet.
Gerüchteweise, über ein geheimes Informationssystem, was weiß ich. Tim Nicholls hatte zufällig einen Spender und hat das Herz unter Umgehung der NEOB direkt dem Bayside zukommen lassen, und diverse Leute haben abkassiert, darunter auch Angestellte des Bayside.«
Tarasoff wirkte entsetzt. »Es ist möglich«, sagte er. »Sie haben recht, so könnte es gehen.«
Plötzlich ging die Tür auf, und zwei Assistenzärzte kamen lachend herein, um sich einen Kaffee zu holen. Sie schienen Ewigkeiten zu brauchen, bis sie Milch und Zucker genommen hatten. Endlich gingen sie wieder.
Tarasoff wirkte noch immer perplex. »Ich selbst habe schon Patienten ans Bayside überwiesen. Es ist eines der führenden Transplantationszentren des Landes. Warum sollten sie das offizielle
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