Kalte Herzen
eine Intensität der Konzentration, die sie faszinierte. Er konnte einfach so aus einem Gespräch aussteigen, daß man mit dem Gefühl zurückblieb, allein gelassen worden zu sein.
»Von was für Reichtümern sprechen wir denn, Detective?«
Er blickte auf. »Drei Millionen Dollar.«
Abby konnte ihn nur verblüfft anstarren.
»Nach Mrs. Levis Verschwinden dachte ich, ich sollte mir die finanziellen Verhältnisse der Familie vielleicht mal ein wenig genauer ansehen«, erklärte er. »Also habe ich mit ihrem Steuerberater gesprochen. Er hat mir erzählt, daß Elaine kurz nach Aarons Tod entdeckt hat, daß ihr Mann ein Konto bei der Cayman-Islands-Bank hatte. Ein Konto, von dem sie nichts gewußt hatte. Sie hat sich von ihrem Steuerberater erklären lassen, wie sie an das Geld herankommt, und dann ohne jede Verzögerung die Stadt verlassen.« Katzka blickte Abby fragend an.
»Ich habe keine Ahnung, woher Aaron so viel Geld hatte«, murmelte Abby.
»Sein Steuerberater auch nicht.«
Sie schwiegen eine Weile. Abby griff nach ihrem Kaffee und stellte fest, daß er kalt geworden war. Ihr war auch kalt.
Leise fragte sie: »Wissen Sie, wo Elaine ist?«
»Wir haben eine Vermutung.«
»Können Sie es mir sagen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube, Dr. DiMatteo«, sagte er, »sie will zur Zeit lieber nicht gefunden werden.«
Drei Millionen Dollar. Wie hatte Aaron Levi drei Millionen Dollar angespart?
Die Frage ließ sie den ganzen Heimweg über nicht los. Sie wußte nicht, wie ein Kardiologe das schaffen wollte. Nicht mit zwei Kindern, die private Universitäten besuchten, und mit einer Frau mit einer Vorliebe für teure Antiquitäten. Und warum hatte er seinen Reichtum verborgen? Auf den Cayman-Inseln deponierten Leute ihr Geld, wenn sie es außer Sichtweite der Steuerbehörde bringen wollten. Doch auch Elaine hatte erst nach Aarons Tod von dem Konto erfahren. Es mußte ein Schock gewesen sein, die Papiere ihres verstorbenen Mannes durchzugehen und zu entdecken, daß ihr Mann ihr ein Vermögen verschwiegen hatte.
Drei Millionen Dollar.
Sie parkte in der Auffahrt und ertappte sich dabei, die Nachbarschaft nach einem braunen Van abzusuchen. Dieser kurze Blick die Straße hinaus und hinunter war fast schon zur Gewohnheit geworden.
Als sie die Haustür aufschloß, stolperte sie über den üblichen Haufen Nachmittagspost. Das meiste waren Fachzeitschriften, jeweils zwei Exemplare für die beiden Ärzte im Haus. Sie sammelte sie auf und trug sie in die Küche. Auf dem Tisch begann sie, die Post in zwei Stapeln zu sortieren. Sein Müll, ihr Müll.
Sein Leben, ihr Leben. Nichts, was einen zweiten Blick gelohnt hätte.
Es war vier Uhr. Sie beschloß, am Abend ein leckeres Essen zuzubereiten und es mit Wein bei Kerzenlicht zu servieren.
Warum nicht? Sie hatte jetzt schließlich genug Muße.
Während man sich im Bayside reichlich Zeit ließ, über ihre Zukunft als Chirurgin zu entscheiden, konnte sie sich damit beschäftigen, die Beziehung zwischen ihr und Mark mit romantischen Abendessen und weiblicher Fürsorge zu flicken.
Sie würde ihre Karriere verlieren, aber den Mann behalten.
Abby nahm ihren Stapel von Wurfsendungen und Reklame, trug ihn zum Mülleimer und trat auf dessen Pedal. Der Deckel klappte auf, und bevor ihr Haufen Post im Eimer verschwand, sah sie an dessen Boden einen großen braunen Umschlag, auf dessen Absender in großen Lettern das Wort »Jachten« prangte.
Sie wühlte den Umschlag hervor und kratzte den Kaffeesatz und die Eierschalen ab.
In der oberen linken Ecke stand: »East Wind Jachten, Verkauf und Service, Marblehead Marina«.
Er war an Mark adressiert, aber nicht an ihr Haus in der Brewster Street, sondern an ein Postfach.
Noch einmal las sie die Worte: »Jachten, Verkauf und Service«.
Sie ging zu Marks Schreibtisch im Wohnzimmer. Die unterste Schublade, in der er seine Unterlagen aufbewahrte, war abgeschlossen, doch sie wußte, wo der Schlüssel war. Sie hatte gehört, wie er ihn in den Becher mit Stiften hatte fallen lassen.
Dort fand sie ihn auch und schloß die Schublade auf. Hier bewahrte Mark sämtliche offiziellen Papiere auf, Versicherungsdokumente, KFZ-Unterlagen. Sie stieß auf einen Ordner mit der Aufschrift »BOOT«. Er enthielt einen Hefter für die
Gimmie Shelter,
seine J-35. Und einen zweiten Hefter, der neu aussah. Auf dem Etikett stand: »H-48«.
Diesen Hefter zog sie heraus. Es war ein Kaufvertrag der Firma East Wind Marine, H-48 war die Abkürzung für das
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