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Kalte Herzen

Kalte Herzen

Titel: Kalte Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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die Zubereitung von Speisen. Dann fühlte Abby sich in beide Richtungen gezogen, als ob sie über der Kluft zwischen Männern und Frauen stünde, einen Fuß auf der einen, den anderen auf der anderen Seite, ohne ganz zu einer der beiden Welten zu gehören.
    Es war Mark, der sie in dieser Männerrunde verankerte. Er und Bill Archer, ebenfalls ein Thoraxchirurg, waren enge Kollegen.
    Archer war der Chef des Transplantationsteams und einer der Ärzte, die Mark vor sieben Jahren an das Bayside-Hospital geholt hatten. Es war nicht überraschend, daß sich die beiden Männer so gut verstanden. Beide verlangten viel von sich und anderen, waren sportlich und von geradezu besessenem Ehrgeiz.
    Im OP arbeiteten sie als Team, doch außerhalb des Krankenhauses erstreckte sich ihre freundschaftliche Rivalität von den Skipisten Vermonts bis auf die Gewässer der Massachusetts Bay. Beide hatten im Marblehead-Jachthaften eine J-35er Segeljolle liegen, und in der laufenden Regattasaison stand es im Wettkampf zwischen Archers
Red Eye
und Marks
Gimmie Shelter
sechs zu fünf. Mark hatte vor, das Ergebnis an diesem Wochenende auszugleichen. Er hatte schon Rob Lessing, den anderen Assistenzarzt im zweiten Jahr, für die Mannschaft angeheuert.
    Was hat es nur mit Männern und Booten auf sich? fragte sich Abby. Männer und ihre Segelmaschinen! Ihre Testosterongespeisten High-Tech-Gespräche waren für Abby das reinste Kauderwelsch. In diesem Kreis gehörte die Bühne den Männern mit ergrauendem Haar. Archer mit seiner graumelierten Mähne, Colin Wettig, schon vornehm ergraut, und Mark, der mit einundvierzig an den Schläfen erste silberne Strähnen bekam.
    Als sich das Gespräch der Pflege von Schiffsrümpfen und den verschiedenen Kielbauarten sowie den astronomischen Preisen von Spinnakern zuwandte, schweifte Abbys Aufmerksamkeit ab, und sie bemerkte die beiden Spätankömmlinge, Dr. Aaron Levi und seine Frau Elaine. Aaron war der Kardiologe des Transplantationsteams und ein geradezu peinlich schüchterner Mann. Er hatte sich schon mit einem Drink in eine entlegene Ecke des Gartens zurückgezogen und beobachtete schweigend und mit hängenden Schultern das Treiben. Elaine sah sich suchend nach einem Brückenkopf der Konversation um.
    Das war Abbys Chance, dem Gerede über Boote zu entfliehen.
    Sie löste sich von Mark und ging zu Elaine herüber.
    »Mrs. Levi? Schön Sie wiederzusehen.«
    Elaine lächelte. »Abby, nicht wahr?«
    »Ja, Abby DiMatteo. Ich glaube, wir sind uns schon einmal auf dem Picknick der Assistenzärzte begegnet.«
    »Ach ja, richtig. Es gibt so viele Assistenzärzte, daß ich Probleme habe, sie auseinanderzuhalten. Aber an Sie erinnere ich mich.«
    Abby lachte. »Bei nur drei Frauen in der Ausbildung zum chirurgischen Facharzt ragen wir schon irgendwie heraus.«
    »Es ist schon viel besser als früher, als es überhaupt keine Frauen gab. In welcher Abteilung arbeiten Sie zur Zeit?«
    »Ich fange morgen in der Thoraxabteilung an.«
    »Dann werden Sie ja mit Aaron zusammenarbeiten.«
    »Wenn ich das Glück habe, bei irgendwelchen Transplantationen zu assistieren.«
    »Ganz bestimmt! Das Team hatte in letzter Zeit so viel zu tun.
    Sie bekommen sogar schon Überweisungen aus dem Massachusetts General, was Aaron eine echte innere Befriedigung ist.« Elaine beugte sich zu Abby hinüber. »Vor Jahren haben sie ihn als Facharzt abgelehnt, und jetzt schicken sie ihm ihre Patienten.«
    »Das einzige, was das Massachusetts General dem Bayside-Hospital voraus hat, ist der Harvard-Nimbus«, bemerkte Abby.
    »Sie kennen doch Vivian Chao, oder nicht? Unsere leitende Assistenzärztin?«
    »Natürlich.«
    »Sie hat ihr Medizinstudium in Harvard als eine der zehn besten ihres Jahrgangs abgeschlossen. Doch als sie sich dann um eine Stelle als Assistenzärztin beworben hat, war Bayside ihre erste Wahl.«
    Elaine wandte sich ihrem Mann zu. »Hast du das gehört, Aaron?«
    Widerwillig blickte der von seinem Drink auf. »Was?«
    »Vivian Chao hat Bayside dem Mass Gen vorgezogen.
    Wirklich, Aaron, hier bist du schon ganz oben. Warum solltest du wegwollen?«
    »Weg?« Abby sah Aaron überrascht an, doch der Kardiologe starrte nur seine Frau an. Was Abby am rätselhaftesten fand, war deren plötzliches Schweigen. Gelächter und Gesprächsfetzen wehten über den Rasen herüber, doch in dieser Ecke des Gartens sagte keiner ein Wort.
    Aaron räusperte sich. »Nur ein Gedanke, mit dem ich spiele«, erläuterte er. »Raus aus der Stadt, aufs Land

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