Kalte Herzen
Krankenblatt zu und sah sie an. »Dr. DiMatteo?«
Sie antwortete nicht.
»Detective Katzka berichtete mir, daß Sie leugnen, gestern abend Alkohol getrunken zu haben«, bemerkte er.
Sie sagte nichts.
Wettig seufzte. »Der erste Schritt zur Heilung ist die Einsicht, daß Sie ein Problem haben. Ich hätte es erkennen müssen. Ich hätte sehen müssen, womit Sie die ganze Zeit gerungen haben.
Doch jetzt liegt es auf dem Tisch. Es ist Zeit, das Problem anzugehen.«
Sie sah zu ihm hoch. »Welchen Sinn hätte das?« fragte sie matt.
»Sie haben noch eine Zukunft vor sich, die es zu retten gilt.Trunkenheit am Steuer ist ein ernsthafter Rückschlag, aber Sie sind eine intelligente Frau. Ihnen stehen außerhalb der Medizin zahlreiche andere Karrieren offen.«
Sie reagierte mit Schweigen. Der Verlust ihrer Karriere erschien ihr im Moment fast unbedeutend, verglichen mit der Angst, die sie wegen Marks Verschwinden empfand.
»Ich habe Dr. O’Connor gebeten, ein Gutachten zu erstellen«, sagte Wettig. »Er wird irgendwann heute abend vorbeikommen.«
»Ich brauche keinen Psychiater.«
»Doch, das glaube ich doch, Abby. Ich glaube, Sie brauchen ehr viel Hilfe. Sie müssen diesen Verfolgungswahn überwinden.
Ich werde Ihrer Entlassung erst zustimmen, wenn O’Connor sein Okay gibt. Vielleicht entscheidet er, Sie in die Psychiatrie verlegen zu lassen. Das liegt an ihm. Wir können nicht zulassen, daß Sie noch einmal versuchen, sich etwas anzutun, wie Sie es gestern abend getan haben. Wir machen uns alle große Sorgen um Sie, Abby. Ich mache mir Sorgen um Sie. Deswegen habe ich ein psychiatrisches Gutachten angeordnet. Es ist nur zu Ihrem Besten, glauben Sie mir.«
Sie sah ihn direkt an. »Sie können mich mal gern haben, General.«
Zu ihrer enormen Befriedigung zuckte er zusammen und trat vom Bett zurück. Er schlug die Krankenakte zu. »Ich werde später noch einmal nach Ihnen sehen, Dr. DiMatteo«, sagte er und verließ das Zimmer.
Danach starrte sie lange an die Decke. Kurz bevor Wettig das Zimmer betreten hatte, hatte sie sich zu erschöpft gefühlt, um zu kämpfen. Jetzt hatte sich jeder Muskel ihres Körpers angespannt, und in ihrem Magen herrschte wilder Aufruhr. Ihre Hände schmerzten, und sie sah, daß sie sie zu Fäusten geballt hatte.
Ihr könnt mich alle mal gern haben!
Sie richtete sich auf. Das Schwindelgefühl verflog rasch, Abby hatte zu lange im Bett gelegen. Es wurde Zeit, hochzukommen und die Kontrolle über ihr Leben zurückzuerlangen.
Sie ging durch das Zimmer und öffnete die Tür einen Spalt breit.
Eine Schwester blickte von ihrem Tisch auf und sah sie direkt an. Ihr Namensschild identifizierte sie als W. Soriano.
»Brauchen Sie etwas?«
»Ähm, nein«, antwortete Abby und zog sich eilig wieder hinter die Tür zurück.
Verdammt, sie hielten sie wie eine Gefangene.
Auf nackten Füßen begann sie, im Zimmer im Kreis zu laufen und ihren nächsten Schritt zu planen. Sie konnte jetzt nicht an Mark denken. Wenn sie das tat, würde sie sich einfach auf dem Bett zusammenrollen und weinen. Und das wollten die nur. Sie erwarteten es förmlich.
Abby setzte sich auf den Stuhl am Fenster und überlegte, welche Möglichkeiten ihr noch offenblieben. Ihr fiel keine eine.
Gestern abend hatte Mark gesagt, Mohandas wäre auf ihrer Seite, aber jetzt war Mark verschwunden. Mohandas konnte sie jedenfalls nicht trauen. Sie kannte niemandem in diesem Krankenhaus trauen.
Sie ging zum Nachttisch, nahm den Telefonhörer ab und hörte das Freizeichen. Sie rief Vivian an. Als sich nur der Anrufbeantworter meldete, fiel ihr ein, daß Vivian noch in Burlington war.
Abby rief bei sich zu Hause an und hörte den Anrufbeantworter per Fernabfrage ab. Vivian hatte sich erneut gemeldet, dem Klang ihrer Stimme nach zu urteilen, war es dringend. Sie hatte eine Nummer in Burlington hinterlassen.
Abby wählte sie.
Diesmal nahm Vivian ab. »Sie haben mich gerade noch erwischt. Ich wollte eben aufbrechen.«
»Kommen Sie nach Hause?«
»Ich habe den Sechs-Uhr-Flug nach Logan gebucht. Die Reise war ein Schuß in den Ofen. In Burlington hat nie eine Entnahme stattgefunden.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich habe mich am Flughafen erkundigt, und bei jedem anderen Flughafen in der näheren Umgebung. An den Abenden der Transplantationen wurden keine mitternächtlichen Flüge nach Boston gelotst. Nicht ein einziges klitzekleines Maschinchen. Burlington ist nur eine Tarnung. Und Tim Nicholls hat die offiziellen Formulare
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