Kalte Herzen
einwaschen und dann mit ins Vergnügen stürzen.«
Abby blickte zur Tür des OP. Durch das Sichtfenster konnte sie den dahinterliegenden Desinfektionsraum sehen, in dem ein Mann stand und wartete. Auf einer Roiliege neben ihm stand eine kleine Kühlbox. Es war die gleiche Art Kühlbox wie die, in der sie Karen Terrios Herz transportiert hatte.
»Er kommt, sobald er sich umgezogen hat«, berichtete die Empfangsschwester.
Kurz darauf betrat der nun in Grün gekleidete Dr. Mapes den OP. Er war ein kleiner Mann, dessen fliehende Stirn an einen Neandertaler erinnerte und dessen Nase wie der Schnabel eines Habichts aus seiner OP-Maske herausragte.
»Willkommen in Boston«, grüßte Archer und blickte zu dem Besucher auf. »Ich bin Bill Archer. Das ist Mark Hodell.«
»Leonard Mapes. Ich habe mit Dr. Nicholls am Wilcox operiert.«
»Wie war Ihr Flug, Len?«
»Ein Getränkeservice wäre nett gewesen.«
Trotz seiner Maske konnte man das breite Lächeln auf Archers Gesicht erkennen. »Und was haben Sie uns mitgebracht?«
»Ein Prachtexemplar. Ich denke, Sie werden zufrieden sein.«
»Lassen Sie mich noch eben zu Ende sondieren, dann schaue ich es mir an.«
Das Sondieren der Aorta war der erste Schritt, um die Patientin an die Herz-Lungen-Maschine anzuschließen. Diese flache, kleine, von der technischen Assistentin kontrollierte Maschine mußte vorübergehend die Funktion von Herz und Lungen übernehmen, das venöse Blut auffangen, mit Sauerstoff anreichern und es in die Aorta der Patientin zurückpumpen.
Archer verwendete seidene Fäden, um zwei konzentrische Tabakbeutelnähte durch die Wand der Aorta zu ziehen. Mit einem leichten Tip seines Skalpells schnitt er eine winzige Öffnung in das Gefäß. Blut schoß hervor. Geschickt fädelte er eine Sonde durch die Öffnung und zog die Tabakbeutelnähte fest.
Die Blutung wurde zu einem Rinnsal und versiegte ganz, als er die Sonde in der Öffnung festgenäht hatte. Das andere Ende der Sonde wurde mit der arteriellen Seite der Herz-Lungen-Maschine verbunden.
Mark, der wie Abby die Instrumente zurückgezogen hatte, begann bereits mit der Sondierung der venösen Seite.
»Gut«, meinte Archer vom OP-Tisch zurücktretend. »Dann wollen wir unser Geschenk mal auspacken.«
Eine Schwester öffnete die Kühlbox und entnahm das in zwei gewöhnliche Plastikbeutel gewickelte Organ. Sie löste die Verschnürung und ließ das nackte Herz in eine Schüssel mit steriler Salzlösung gleiten.
Behutsam hob Archer das gekühlte Herz aus dem Bad.
»Hervorragend entnommenes Organ«, stellte er fest. »Sie haben gute Arbeit geleistet.«
»Danke«, sagte Mapes.
Archer strich mit seinem behandschuhten Finger über die Oberfläche. »Arterien weich und glatt … blitzeblank.«
»Es kommt mir ein bißchen klein vor, oder?« meinte Abby.
»Wie groß war der Spender?«
»Zweiundvierzig Kilogramm«, antwortete Dr. Mapes.
Abby runzelte die Stirn. »Ein Erwachsener?«
»Nein, ein bis dato gesunder adoleszenter Patient. Ein Junge.«
Abby bemerkte ein entsetztes Aufflackern in Archers Blick und erinnerte sich daran, daß er zwei Söhne im Teenageralter hatte. Ebenso behutsam, wie er es aufgehoben hatte, ließ er das Organ wieder in die gekühlte Salzlösung gleiten.
»Damit uns das kostbare Stück nicht schlecht wird«, meinte er und wandte sich wieder Nina zu.
Mark und Abby hatten inzwischen die Sondierung der venösen Seite beendet. Zwei Sonden, an deren Enden kleine Drahtsiebe befestigt waren, wurden durch Tabakbeutelnähte gesichert. Sie sollten das venöse Blut aufnehmen und zur Herz-Lungen-Maschine leiten.
Mark und Archer arbeiteten jetzt gleichzeitig. Sie legten Schlingen um die obere und untere Vene, um so den Blutstrom zum Herzen zu unterbinden.
»Ich klammere jetzt die Aorta«, kündigte Mark an, ehe er den aufsteigenden Teil der Aorta verschloß.
Abgeschnitten von venösem Zustrom und dem arteriellen Abfluß war das Herz jetzt nur noch ein nutzloser Sack. Der Blutkreislauf von Nina Voss lag nun ganz in den Händen der technischen Assistentin und ihrer magischen Maschine. Auch Ninas Körpertemperatur unterstand ihrer Kontrolle. Indem man das durchgeschleuste Blut vorsichtig abkühlte, konnte man sie langsam auf fünfundzwanzig Grad absenken. Das würde die neu eingepflanzten Herzmuskelzellen schützen und den Sauerstoffbedarf des Körpers senken.
Zwick stellte das Beamtungsgerät ab. Das rhythmische Zischen des Blasebalges verstummte. Es bestand keine Notwendigkeit, Luft
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