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Kalte Herzen

Kalte Herzen

Titel: Kalte Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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er am Ende gerissen war, wie ihr Mann, sondern einer, der herausgerissen worden war und eine Lücke bis zur letzten Bahn hinterlassen hatte.
    Sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Eine wirkliche Tür. Sie hörte Schritte, die sich leise ihrem Bett näherten.
    Versunken in ihre Morphiumträumereien mußte sie sich anstrengen, um die Augen zu öffnen. Als es ihr schließlich gelang, sah sie, daß das Zimmer bis auf einen kleinen runden Lichtkreis in der Nähe dunkel war. Sie versuchte, sich auf das Licht zu konzentrieren. Es tanzte wie ein Leuchtkäfer, beruhigte sich und wurde zu einem einzigen hellen Punkt auf ihrem Laken.
    Sie konzentrierte sich noch angestrengter und konnte einen dunklen Umriß ausmachen, der neben ihrem Bett aufgetaucht war. Etwas nicht ganz Festes, nicht ganz Reales. Ob auch das ein Morphiumtraum war, eine unwillkommene Erinnerung, die durch das Tor getreten war, um sie heimzusuchen? Sie spürte, wie das Laken beiseite gezogen wurde und eine kalte, gummiartige Hand ihren Arm packte.
    Ängstlich stieß sie den Atem aus. Das war kein Traum. Das war echt, real. Die Hand war hier, um sie zu entführen, irgendwohin.
    In ihrer Panik begann sie zu zappeln, und es gelang ihr, sich loszureißen.
    Eine Stimme sagte leise: »Ist schon gut, Mary. Ganz ruhig. Es ist Zeit, daß Sie schlafen.«
    Mary erstarrte. »Wer sind Sie?«
    »Ich kümmere mich heute nacht um Sie.«
    »Ist es schon Zeit für meine Medizin?«
    »Ja. Es ist Zeit.«
    Mary sah, wie der Lichtstrahl erneut über ihren Arm tanzte, über ihren Katheter. Sie beobachtete, wie die behandschuhte Hand eine Spritze hervorzog und die Plastikabdeckung entfernte. Etwas Spitzes glitzerte in dem Lichtstrahl: eine Nadel.
    Marys Besorgnis erwachte aufs neue. Handschuhe? Warum trugen die Hände Handschuhe?
    »Ich will meine Schwester sehen«, verlangte sie. »Bitte rufen Sie meine Schwester!«
    »Das ist nicht notwendig.« Die Nadelspitze stach in den Infusionsansatz, der Kolben senkte sich. Mary spürte, wie die Wärme sich über ihre Vene in ihrem ganzen Arm ausbreitete.
    Ihr wurde bewußt, daß die Ampulle sehr voll war und der Kolben viel länger als üblich brauchte, um seine Dosis schmerzfreien Vergessens loszuwerden. Irgendwas stimmte nicht, dachte sie, als der Inhalt der Ampulle sich in ihre Vene leerte.
    Irgendwas stimmte überhaupt nicht.
    »Ich möchte meine Schwester sprechen«, forderte sie. Sie schaffte es, den Kopf zu heben und matt zu rufen: »Schwester!
    Bitte! Ich brauche –«
    Ein Handschuh hielt ihr den Mund zu und drückte sie mit solcher Gewalt auf das Kissen zurück, daß sie dachte, ihr Hals müsse brechen. Sie hob den Arm, um die Hand wegzureißen, aber sie schaffte es nicht. Die Hand preßte zu fest auf ihren Mund und erstickte ihre Schreie. Mary strampelte mit Armen und Beinen und spürte, wie der Katheter sich losriß und die Salzlösung heraustropfte. Doch die Hand ließ ihren Mund noch immer nicht los. Die flüssige Wärme hatte sich mittlerweile bis in ihre Brust ausgebreitet und strömte dem Hirn entgegen. Sie versuchte, die Beine zu bewegen, und stellte fest, daß sie es nicht konnte.
    Und sie merkte, daß es ihr egal war.
    Die Hand glitt von ihrem Gesicht.
    Sie rannte. Sie war wieder ein Mädchen mit langen, braunen, wehenden Haaren. Der Sand unter ihren nackten Füßen war warm, und die Luft roch nach Strandrosen und Meer.
    Das Tor vor ihr stand weit offen.
    Das klingelnde Telefon riß Abby von einem warmen und sicheren Ort los. Beim Aufwachen spürte sie den Arm, der um ihre Hüfte lag, Marks Arm. Irgendwie waren sie trotz des schmalen Betts beide eingeschlafen. Sie löste sich sanft aus seiner Umarmung und griff nach dem Hörer.
    »DiMatteo.«
    »Doktor, hier ist Charlotte von West Vier. Mrs. Allen ist gerade verstorben. Die anderen Ärzte sind im Moment alle beschäftigt, und ich dachte, Sie könnten vielleicht runterkommen, und den Tod der Patientin feststellen.«
    »Ich bin sofort da.« Abby legte auf, ließ sich für einen Moment auf das Bett zurücksinken und gönnte sich den Luxus, langsam aufzuwachen. Mrs. Allen war tot. Es war schneller passiert, als sie erwartet hatte. Sie fühlte sich erleichtert, daß die Tortur endlich vorüber war, und schuldig, weil sie erleichtert war. Um drei Uhr morgens erscheint einem der Tod eines Patientin nicht wie eine Tragödie, sondern wie eine Belästigung, nur ein weiterer Grund für versäumten Schlaf.
    Abby setzte sich auf die Bettkante und zog ihre Schuhe an.
    Mark

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