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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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verschaffen, und zwar schnellstmöglich.
    Henrik schlief noch, als sie sich ihren dicksten Pulli überzog und ein zweites Paar Socken. Sie gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange. »Ich fahre schnell und hole uns was Feines vom Bäcker zum Frühstück.«
    »Mhm.« Er lächelte verschlafen. »Tolle Idee. Soll ich dich begleiten?«
    »Du bist ja noch ganz verschlafen. Kannst ja unter die Dusche springen, bis ich wieder da bin.«
    Er nickte, drehte sich um und schlief wieder ein. Natascha schnappte sich Schlüssel und Handy von der Garderobe, zog ihren Dufflecoat über und stapfte zum Wagen. Die Scheiben waren noch dick vereist. Mit dem Kratzer schabte sie ein kaum handtellergroßes Loch frei, dann drehte sie Heizung und Lüftung voll auf und fuhr los. Die Straßen waren leer. Bis sie in die Ortschaft kam, hatte sie klare Sicht und war keinem einzigen anderen Auto begegnet.
    Bevor sie in die Bäckerei ging, holte sie aus der Apotheke einen Test. »Gewissheit in drei Minuten« hieß es auf der Packung. Und sie konnte kaum abwarten, ihn zu machen. Seit sieben Wochen hatte sie ihre Tage nicht mehr gehabt. Das passte nicht zu ihr. Ihre Periode war immer sehr regelmäßig gekommen, auch in Zeiten von großem Stress. Auch als sie ihre Prüfungen zum Staatsexamen abgelegt hatte. Auch als sie ihre Jungfernrede im Bundestag gehalten hatte. Doch jetzt: seit sieben Wochen Funkstille. Ja, sie hatte die Pille unregelmäßig genommen, wochenweise auch mal gar nicht. Vielleicht hatte es damit zu tun. Aber sie hatte ja auch kaum Sex gehabt. Kaum.
    Die Bäckerei war ziemlich voll. Im Nebenraum gab es ein kleines Café, in dem noch der Charme der achtziger Jahre der DDR herrschte. Beigebraune Tapeten, VEB -Stühle mit geblümten Bezügen. Es herrschte nicht viel Betrieb, die Leute wollten vor allem Brötchen kaufen und dann zu Hause frühstücken. Natascha setzte sich in das Café und studierte die Karte, ohne sich darauf konzentrieren zu können. Endlich kam eine junge Frau, um sie zu bedienen. »Was darf ich Ihnen bringen?«
    »Einen Kaffee bitte und ein Croissant. Und, sagen Sie, könnten Sie mir auch ein paar Sachen zum Mitnehmen einpacken?«
    »Natürlich. Was darf’s denn sein?«
    Natascha gab ihre Bestellung auf, warf ihren Mantel über den Stuhl und verschwand Richtung Toilette.
    Es war eisig kalt dort, kaum dass sie in der Lage war, Wasser zu lassen. Mit zitternden Fingern hielt sie den Plastikstift in den Strahl. Dann saß sie da, vergaß die Kälte, vergaß den Kaffee und überhaupt alles um sich herum, während sie den Strich anstarrte, der das Anzeigefeld des Schwangerschaftstests querte. Und dann, nach ein oder zwei Minuten den zweiten Strich, der aus dem Minus ein Plus machte und der wenig später auch auf dem zweiten Feld auftauchte. Sie suchte die Verpackung noch mal heraus, die sie schon in die Tasche gestopft hatte, las die Erläuterungen noch einmal, obwohl der Test wirklich idiotensicher war, starrte wieder auf das doppelte Plus. »Gewissheit mit 99,9%iger Sicherheit« stand auf der Schachtel. Nach sieben Wochen war der Fall so eindeutig, dass sie auf das letzte Tausendstel nicht mehr zu hoffen brauchte: Sie war schwanger.
    Mit Grauen stand ihr plötzlich wieder die Szene vor Augen, als sie nächtlichen Besuch gehabt hatte, der offenbar nicht Henrik gewesen war. Und nun: Konnte sie sicher sein, dass sie schwanger von Henrik war? Wessen Kind erwartete sie? Was sollte sie ihrem Mann sagen? Ein Drittel aller Kinder, heißt es, sind Kuckuckskinder. Sollte sie einfach so tun, als wäre es seines, auch wenn es das vielleicht gar nicht war? Sollte sie sich selbst gegenüber so tun? Oder sollte sie … Aber wenn es wirklich nicht seines war! So wenig, wie sie in der fraglichen Zeit miteinander im Bett gewesen waren – wenn sie es denn überhaupt gewesen waren –, würde ihm das womöglich seltsam vorkommen. Sie konnte sich noch genau erinnern, wie sie ihn in jener Nacht angerufen hatte, und er war hier gewesen. Nicht in Berlin, sondern hier, eine Autostunde entfernt.
    Was auch immer sie ihm sagen oder nicht sagen würde, so viel war sicher: Sie musste ihn anrufen, musste ihm von der Schwangerschaft erzählen. Und zwar gleich. Wenn sie es jetzt nicht tat, würde alles nur schlimmer werden. Sie nestelte das Handy aus der Tasche. Atmete tief ein. Vielleicht würde sie es doch noch nicht sagen. Sie wollte ihn nur hören. Es läutete, noch ehe sie selbst tippen konnte. Irritiert hob sie ab. Die Stimme einer Frau hauchte:

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