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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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Chauffeur und trug eine schwere Aktentasche, offenbar hatten auch ein paar von Raus Leuten über die Feiertage freibekommen, sodass improvisiert wurde. Rau sah auf, als Henrik näher trat. Gerade als Henrik grüßen wollte, öffnete sich die Fahrstuhltür. »Sie zuerst«, knurrte Rau, und Henrik stieg ein. Er ging ganz nach hinten und drehte sich um, da sah er, dass Rau seinen Chauffeur mit der Krücke zurückhielt näher zu treten. Der graue Bürstenhaarschnitt, fuhr es Henrik durch den Kopf. Es war derselbe Mann, den er im »Le Club« gesehen hatte. Die Aufzugtür schloss sich, und Henrik fuhr allein nach unten. Er fragte sich, ob Rau oben noch etwas eingefallen war, weshalb er doch noch nicht nach unten fahren wollte. Oder hatte es mit ihm zu tun, dass Rau den Fahrstuhl nicht betreten hatte? Mit Natascha? Oder mit Michelle? Ein ungeheuerlicher Verdacht keimte in ihm auf.
    *
    Als Petra Reber am Neujahrsmorgen vor der Tür stand, hatte es zu regnen begonnen. Sie trug Schwarz, aber Natascha erkannte sofort, dass es keine Trauerkleidung war. Es war eher das berühmte »kleine Schwarze« – offenbar war Petra direkt von ihrer Silvesterparty nach Braunschweig aufgebrochen. »Mein Gott, Petra, so schnell hättest du nicht kommen müssen«, begrüßte sie sie und zog sie ins Haus, ehe sie sich im Regen aufzulösen begann. »Hast du überhaupt geschlafen?«
    »Ach Natti, du Arme. Komm, lass dich drücken«, erwiderte Petra Reber nur und zog die Freundin eng an sich. So unvermittelt und so gänzlich fürsorglich in den Arm genommen zu werden war zu viel für Natascha Eusterbeck. Sie brachte kein Wort mehr über die Lippen, sondern konnte nur noch bebend dastehen und die Tränen fließen lassen. »Alles wird gut«, sagte die Freundin tröstend und streichelte ihr mit einer Hand übers Haar, während Natascha ihr Gesicht an ihre Schulter drückte und ihren Gefühlen, ihrer Verletztheit, ihrer Enttäuschung, ihrer Angst freien Lauf ließ.
    Erst nach einigen Minuten gingen sie in die Küche und setzten sich an den Tisch, einander gegenüber. Petra Reber hielt ihre Hände und ließ ihren mütterlichen Blick lange auf Natascha ruhen, ehe sie aufstand und ihr ein paar Küchentücher brachte, damit sie sich schnäuzen konnte. »Jeder Mensch verliert irgendwann die Eltern«, sagte sie, als sie sich wieder setzte. »Meine sind schon lange tot. Gleichzeitig gestorben bei einem Unfall auf der A1. Sie sind einfach ungebremst von hinten auf einen Lastwagen gefahren. Man hat sie mir nicht mal mehr gezeigt. War wahrscheinlich besser so. Ich habe mir oft vorzustellen versucht, wie sie wohl ausgesehen haben nach dem Unfall. Nein, es war wirklich besser, dass ich sie so in Erinnerung behalten konnte, wie ich sie gekannt habe.«
    Natascha nickte. Sie schniefte und versuchte ein Lächeln. »Du bist die Beste«, sagte sie. »Danke. Danke, dass du gekommen bist.«
    »Gestern wäre besser gewesen.«
    »Gestern war Silvester.«
    »Eben.«
    Natascha schüttelte den Kopf. »Nein. An Silvester muss man bei seiner Familie sein. Du hast einen Mann. Den hättest du nicht zum Jahreswechsel allein lassen dürfen.«
    Petra Reber sah ihr tief in die Augen. »Du hast auch einen«, erwiderte sie. »Warum wart ihr nicht zusammen? Er müsste hier sein. Offenbar ist er das aber nicht. Was ist los?«
    Natascha stand auf, strich ihre Haare aus dem Gesicht und ging zum Herd, um einen Wasserkessel aufzusetzen. »Tee?«
    »Grün.«
    Eine Weile hantierte Natascha Eusterbeck mit dem Teegeschirr herum, bis sie sich endlich wieder zu ihrer Freundin umwandte und erklärte: »Er geht fremd.«
    »Oh.« Es war so klar gewesen. Nicht die geringste Überraschung für Petra Reber. Henrik war ein netter Kerl. Aber er war schwach. Und schwache Männer gingen fremd. Fast immer. Die wenigen, die nicht fremdgingen, gingen vermutlich auch fremd, es kam ihnen bloß niemand drauf. Schwache Männer brauchten das fürs Ego. Und Frauen hatten einen besonderen Sinn für diese Situation. Eine Frau, die ein Abenteuer suchte, fand es. Immer. Denn überall gab es sie, die schwachen Männer, die nicht widerstehen konnten, weil sie nichts dringender brauchten als die Bestätigung durch eine Frau, und sei es nicht die eigene.
    »Ja. Ich habe … es war … Ich hatte sein Handy.«
    Petra Reber nickte ahnungsvoll. »Und?«
    »Es hat geklingelt, gerade als ich ihn anrufen wollte. Und dann war diese Frau dran.«
    »Sicher, dass es nicht irgendeine Geschäftspartnerin war? Eine Auftraggeberin

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