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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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Und auch wenn ihre »inoffizielle« Aufgabe vertraulich geblieben war, wenn sie vertraulich geblieben sein sollte , woran Natascha zweifelte, dann war es doch für alle offensichtlich, dass sie schnüffelte, in wessen Auftrag auch immer. Das forderte Intrigen heraus, machte Unverdächtiges verdächtig. Es säte Misstrauen unter den Beteiligten. Und das war es offenbar, was die Kanzlerin von ihr erwartete. Es war eine geniale Maßnahme: Sie hatte sie als unberechenbaren Blindgänger über ihrem Kernbereich abgeworfen und verfolgte nun die Kettenreaktion. Denn alle bissen nach Natascha, niemand aber nach der Kanzlerin. Es war ein ebenso einfacher wie hochkomplexer Plan – einfach in der Ausführung, komplex in der Wirkung. Die vielfältigen Intrigen und Gegenintrigen, die sie damit auslöste, boten ein schier unüberblickbares Potenzial an Manipulation, eine machiavellistische Waffenkammer erster Güte. Selbstverständlich hielt die Kanzlerin Natascha für unbegabt und unerfahren, ein Fliegengewicht. Sonst hätte sie sie gar nicht als unfreiwillige politische Selbstmordattentäterin eingesetzt. Und vermutlich hatte sie sogar recht. Aber sie hatte nicht bedacht, dass Natascha eine Eigenschaft von ihrem Vater geerbt hatte: Stolz.
    Sie würde daran arbeiten, die Seilschaften und Abhängigkeiten im Kanzleramt besser zu durchblicken als jeder andere – die Kanzlerin eingeschlossen. Sie wusste, dass sie auf Spuren gestoßen war, die sie nicht hätte entdecken sollen, egal, ob das nun der Kanzlerin gegen den Strich ging oder irgendjemand anders. Sie wurde abgehört. Warum? Vielleicht nur, weil so die zerstörerische Wirkung ihres Einsatzes am effizientesten zu organisieren war, indem man auch noch ihr Privatleben manipulierte und sie quasi von ihren eigenen vier Wänden aus fernsteuerte. Vielleicht aber auch, weil sie mehr erfahren hatte, als sie sollte. Vielleicht, weil sie etwas gesagt hatte, was jemandem gefährlich erschien. Jemandem, der die Mittel und Möglichkeiten hatte, sie abzuhören. Und eine Polizeistreife auf sie anzusetzen, um sie anschließend spurlos verschwinden zu lassen. Jemandem, der sich vom ersten Augenblick an bedroht gefühlt hatte. Denn inzwischen war Natascha Eusterbeck sich sicher, dass alles das miteinander zu tun hatte: die Drohmails, die Mikrofone, die Verfolgungen, der Tod ihres Vaters. Es waren die Gegenangriffe der Meute. Sie erinnerte sich an die Mail, als sie in die Charité gelockt worden war: »Beim nächsten Mal ist es kein falscher Alarm, Prinzessin.«… Sie sah sich um. Der Mann war näher gekommen. Er war gedrungen und kräftig und hatte den Kopf tief in den Kragen gezogen. Obwohl sie kaum etwas von ihm sah und seine Stimme nicht kannte, erschien er ihr plötzlich wie der Mann, der sie damals von seinem Auto aus angesprochen hatte, als sie nachts aus dem Kanzleramt gekommen und die Willy-Brandt-Straße hinabgegangen war. Sie beschleunigte ihre Schritte. Der Hund griff weit aus und rannte in ihre Richtung. Natascha stolperte in ihren Moon Boots und stürzte halb in den Schnee, rappelte sich auf und hastete weiter. Über die Schulter konnte sie erkennen, dass der Mann stehen geblieben war und in ihre Richtung blickte. Er hielt sich eine Hand ans Ohr, vielleicht telefonierte er?
    Als sie endlich die Tür hinter sich zuzog, war sie schweißgebadet. Sie lief ins Obergeschoss und sah aus dem Fenster die Auffahrt hinunter. Doch der Mann tauchte nicht mehr auf. Paranoid. Sie war paranoid. Aber das hatte auch einen Grund. Nach einer Weile ging sie hinunter und kochte sich Kaffee, trug ihn ins Arbeitszimmer und machte sich an die Arbeit.
    *
    »Wir müssen reden.«
    »Petra?« Henrik Eusterbeck rappelte sich im Bett auf. Er wusste nicht, was ihn mehr verwirrte: dass es helllichter Tag war oder dass Petra Reber plötzlich in seinem Schlafzimmer stand. »Natürlich«, murmelte er und sah sich nach seinem Bademantel um.
    »Nicht hier. Ich warte unten auf dich. Gegenüber.«
    »Äh …« Ehe er noch etwas Sinnvolles erwidern konnte, war sie verschwunden wie ein Traumbild oder vielmehr: ein Albtraumbild. War sie wirklich in seinem Schlafzimmer gewesen? Und wenn ja, warum zum Teufel? Und wie war sie in die Wohnung gekommen?
    Hastig stieg er in seine Jeans, nahm das Hemd von gestern, stellte fest, dass es nach altem Fett roch, weil er sich ein paar Spiegeleier gebraten hatte, warf es in die Ecke, nahm ein neues, zog es über, schlüpfte in sein Lederblouson und in die Turnschuhe und lief die Treppe

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