draußen.
»Darf ich fragen, woher Sie gerade kommen?«
»Ich habe meinen Vater besucht. In Braunschweig.«
»Sie sind spät unterwegs.«
»Tja, es hat sich so ergeben.«
Der Polizist reichte die Papiere seinem Kollegen, der damit zum Einsatzwagen ging und sich wieder hineinsetzte. »Haben Sie etwas getrunken?«
»Sie meinen Alkohol? Nein. Ein Bier.«
»Hätten Sie etwas dagegen, Ihren Alkoholspiegel messen zu lassen?«
»Herr …« Natascha versuchte, an der Polizeijacke ein Namensschild zu finden, konnte aber keines sehen. » … ähm.«
»Steigen Sie doch bitte mal aus.«
Die Nacht war kühl und klar. Und Natascha war übernächtigt. Vielleicht zitterte sie auch, weil sie alles brauchen konnte, nur keinen Skandal. Ein Bier. Konnte ein Bier den Alkoholspiegel im Blut allzu sehr ansteigen lassen? Aus dem Augenwinkel sah sie den Kollegen wieder näher kommen. Er hielt eine Hand an seinem Pistolenhalfter, in der anderen trug er etwas. Ein Testgerät. Natascha spürte, wie ihr etwas schwindelig wurde. Fieberhaft versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Sie war Abgeordnete des Deutschen Bundestags! Durften die Beamten sie zwingen, ins Röhrchen zu pusten? Andererseits: Konnte sie sich weigern, ohne einen Skandal heraufzubeschwören? Ein Bier. Ein Bier! Was sollte das schon machen. Das lag bestimmt auch schon eine Stunde zurück. Oder länger.
»Darf ich Ihnen noch einmal anbieten, freiwillig einen Alkoholtest zu machen?«
Natascha nickte und nahm das Gerät.
»Bitte das Mundstück ganz in den Mund nehmen und kräftig hineinblasen.« Sie blies. Zaghaft. »Kräftig!« Sie pustete stärker. »Bitte etwas kräftiger.« Sie nahm sich zusammen und presste Luft aus ihrer Lunge. Es piepste. »Danke«, sagte der Polizist und nahm das Gerät, warf einen Blick darauf, dann einen Blick auf Natascha, reichte es seinem Kollegen, der damit zurück zum Einsatzwagen ging. »Geben Sie mir bitte mal Ihren Autoschlüssel.«
Natascha spürte, wie der Boden unter ihren Beinen wegsacken wollte. Sie beugte sich ins Auto und zog den Schlüssel ab, gab ihn dem Polizisten. Der steckte ihn ein, gab seinem Kollegen ein Zeichen und sagte kühl. »Sie warten bitte hier, bis die Kollegen kommen.« Dann ging auch er zum Streifenwagen zurück, stieg ein und drehte in einer scharfen Kurve auf der Landstraße um. Verwirrt, erschöpft, gedemütigt ließ Natascha sich auf den Fahrersitz sinken und blickte den sich schnell entfernenden Rückleuchten des Polizeiwagens hinterher. Dann war es Nacht.
*
Von: Die Pupille
An:
[email protected] Betreff:
Text: NÄCHSTES MAL KOMMST DU NICHT SO LEICHT DAVON, PR INZESSIN.
Drei Uhr zwanzig. Die Mail war um drei Uhr zwanzig auf ihrem Server eingegangen. Wer immer sie geschrieben hatte, hatte genau gewusst, wie die Sache mit den Polizisten ausgehen würde. Er hatte kalkuliert, dass sie eine Stunde lang in der Dunkelheit sitzen würde, zuerst eingeschüchtert, dann nur noch wütend. Niemand war gekommen, weder Polizei noch sonst jemand. Nach einer Weile hatte sie Henrik angerufen. Doch der lag vermutlich im Bett und hatte sein Handy auf stumm geschaltet. Dann, nach langem Ringen, hatte sie endlich die Polizei angerufen. Die war schließlich auch gekommen. Es waren andere Polizisten, die sehr eindeutig wenig begeistert davon gewesen waren, von einer Frau ohne Papiere frühmorgens in die Einöde gerufen zu werden. Welche Kollegen sie kontrolliert hatten? Sie wusste es nicht. Namen? Sie hatten keine Namen gesagt. Und der Streifenwagen? Was war mit dem Kennzeichen? – Je mehr die Polizisten nach ihren verschwundenen Kollegen fragten, umso weniger glaubwürdig wirkte Nataschas Geschichte. Das war ihr schon klar gewesen, noch ehe der Streifenwagen gekommen war. Natürlich hatte das zum Plan gehört. Jemand hatte sie auf perfide Art hereingelegt. Und sie musste nun eine denkbar unwahrscheinliche Story zum Besten geben. Sie hätte sie ja selbst nicht geglaubt, wenn sie sie nicht am eigenen Leib erlebt hätte.
Der Rest war eine Fahrt im Polizeiauto zur nächsten Station gewesen, ein Protokoll im Morgengrauen und eine verdammt teure Taxifahrt nach Berlin, wo sie gerade noch genug Zeit gehabt hatte, um sich aus der Wohnung ein anderes Kostüm, Strümpfe, ein Paar passende Schuhe und vor allem eine Packung Ephedrin zu holen – die Wunderdroge, ohne die kein Politiker eine Woche im aktiven Betrieb überstand. Henrik hatte noch geschlafen, und sie hatte ihn nicht geweckt. Wozu auch, sie hätte ohnehin keine