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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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konnte. Sie alle hatten sich in der Nähe der Tür aufgestellt, zweifellos um nach der Zeremonie rasch wieder zum Tagesgeschäft übergehen zu können. Für Natascha Eusterbeck freilich wirkte es, als wollten sie ihr den Fluchtweg abschneiden. Eine Armee von Kanzleramtszombies. Zumindest würde es ihr später so vorkommen. In ihrer Erinnerung würde ihr diese Stunde immer wie eine Hommage an den Eagles-Song »Hotel California« erscheinen. They stab it with their steely knifes, but they just can’t kill the beast.
    Der Eid ging so automatisch, dass Natascha sich seiner erst bewusst wurde, nachdem sie ihn geleistet hatte. Die Kanzlerin reichte ihr die Hand und dann die Urkunde. »Schön«, sagte sie. »Das hätten wir also erledigt. Ich wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg in Ihrem neuen Amt.« Zu den anderen gewandt erklärte sie: »Bitte unterstützen Sie unsere junge Kollegin, wo und wie Sie können. Sie hat es verdient.«
    »Danke, Frau Bundeskanzlerin.« Natascha drehte sich zu dem professionell lächelnden Publikum um. Sie musterten sie alle. Vermutlich hatte sie glühende Wangen, vielleicht auch feuchte Augen. Egal, sie alle hatten einmal am Anfang gestanden, und es war ihnen nicht anders ergangen. Oder vielleicht ja doch. Vielleicht hatten sie alle ihre Ämter sehr viel unbefangener angetreten als Natascha Eusterbeck, deren unruhige Augen sinnlos Henrik suchten, von dem sie doch wusste, dass er nicht da war. Er war gemeint gewesen. Und hatte die Kanzlerin ihr nicht einen Blick hinter dem offiziellen Blick zugeworfen? Einen Blick für die inoffiziellen Aufgaben? Hatte sie ihre Hand nicht einen winzigen Moment zu lange gedrückt? Nicht einen fast unmerklichen Unterton in ihrer Stimme gehabt, einen Ton, den nur eine Eingeweihte hören und verstehen konnte?
    Es folgten die Hintersassen. Kanzleramtsminister Steiner drückte ihr die Hand. Staatssekretärin Wende, David Berg, die Leiter der Abteilungen Inneres und Sicherheit, deren Namen sich Natascha noch nicht gemerkt hatte. Der persönliche Referent der Kanzlerin, Bernhard Bauer … Man wünschte ihr Glück, freute sich mit ihr. Irgendwer hielt ihr plötzlich ein Glas Sekt oder Champagner vor die Nase, es wurde angestoßen. Ihr fiel auf, dass niemand trank, man stellte die Gläser unauffällig wieder weg, nachdem man sie routinemäßig erhoben hatte. Dann verlief sich die Gesellschaft. »Ja, also«, sagte die Kanzlerin. »Alles Gute noch mal.« Das hieß: Nun bitte an die Arbeit und raus aus meinem Büro.
    »Willkommen im Hotel California«, raunte jemand Natascha ins Ohr. Es war David Berg, der so schnell vorüber war, dass sie gar nicht mehr antworten oder nachfragen konnte. Er zwinkerte ihr zu und hob die Hand noch einmal zum Gruß. Dann war er weg, und Natascha Eusterbeck knipste im Kopf ein Foto von sich auf dem taubengrauen Flur im siebten Stock des Bundeskanzleramts, vor dem Büro der Chefin – und weit weg von Henrik, dem zumindest ein Teil der Zeremonie gegolten hatte. Möglicherweise der größere Teil. You can check out any time you like, but you can never leave!
    *
    »Ich bin so stolz auf dich.«
    »Danke, Papa.« Mein Gott, er klang so alt. Dabei war er noch keine siebzig. Aber seit Mama gestorben war, konnte man ihm praktisch beim Altern zusehen. Natascha hatte das Gefühl, sein Leben zerrinne in ihren Händen. »Kann ich heute Abend vorbeikommen?«
    »Aber natürlich! Ich freue mich doch, wenn du deinen alten Herrn mal wieder besuchst!«
    »Es könnte aber spät werden.«
    »Kein Problem. Ich kann mir vorstellen, dass du nicht um fünf Uhr Feierabend machst.« Dass er sich das sehr gut vorstellen konnte, lag auf der Hand – Wolfhardt Lippold war schließlich selbst einmal Referent gewesen, damals in Brüssel, als die EU noch jung war und alles sich im Aufbau befunden hatte. Damals hatte er noch mit dem Posten eines Europaabgeordneten geliebäugelt. Bis man ihm das deutsche Konsulat in Zürich angeboten hatte und später das in Alexandria. Dann das Ressort für Wirtschaftsbeziehungen im Außenamt. Noch in Bonn. Dass er nicht Minister geworden war, hatten zwei schwere Herzinfarkte verhindert – und die Krebserkrankung seiner Frau. Zuerst hatte sie sich für ihn aufgeopfert, dann er sich für sie. Und nun lebte er allein in dem alten Haus in Braunschweig, und Natascha gelang es nicht, ihn zu überreden, nach Berlin zu ziehen, damit sie in seiner Nähe sein konnte. »Du musst dich um dein Leben kümmern, Kind«, sagte er immer, wenn sie ihn darauf

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