Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
Vom Netzwerk:
Steuerzahlergeld!«
    »Papperlapapp.« Rau verschränkte die Arme vor der Brust und senkte den Kopf, wie er es immer tat, wenn er eine Diskussion für unter seiner Würde befand. »Die Steuerquote am Gesamthaushalt sinkt seit Jahren, ach was, seit Jahrzehnten. Sie sinkt in dem Maß, in dem die Kreditquote steigt. Über Steuergelder reden wir doch gar nicht. Wenn’s um die ginge, dann hätten wir gar kein Haushaltsloch. Das Loch kommt von den Krediten. Und die nehmen die Leute gern, weil es nicht ihr eigenes Geld ist. Sie wollen bloß sicher sein, dass es ihnen auch zugutekommt.«
    »So würde er im Bundestag nie reden«, raunte Claus Weigand, der Finanzchef, Natascha ins Ohr. »Ein Heuchler vor dem Herrn.«
    Rau warf einen Blick über den Tisch, als hätte er die Bemerkung gehört. Der Finanzchef saß nur seinetwegen in der Runde. Die Kanzlerin hatte gerne einen Stab um sich, in dem jeder für ein Thema verantwortlich war. Finanzen waren für sie stets nur ein lästiges Nebenbeithema. Nie waren sie Gegenstand ihrer Politik. Weshalb sie die endlosen Euro-Krisenkonferenzen der letzten Jahre so hasste. Gehasst hatte. Bis sie die wunderbaren machtpolitischen Möglichkeiten erkannt hatte, die ihr daraus erwuchsen. Und selbst wenn sie sparen predigte, meinte sie damit vor allem: die Macht so verteilen, dass die einen mehr und die anderen weniger Geld bekamen – so wie es ihren Zielen gerade förderlich war. Eine politische Disziplinierung unter dem Deckmantel der Haushaltssanierung war für sie das perfekte Werkzeug: gut verkäuflich, undurchsichtig, wirksam.
    »… deswegen schlage ich vor, dass wir diesen Teil zusammenpacken mit den Kosten für die Pflegereform. Auf die Weise lenken wir die Angriffsrichtung gegen den Inhalt und weg von den Finanzen.«
    »Die Pflegereform ist so komplex, dass keiner darauf eingehen wird«, erwiderte die Paulus.
    David Berg schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Das kriegen wir schon hin«, sagte er. »Wir haben schon mal ein paar hübsche Formulierungen eingebaut, die eine gute Angriffsfläche bieten. Das Schöne an der Pflegereform …«, er ließ sich von seinem Assistenten eine Mappe reichen, » … ist, dass haufenweise Abgeordnete aus jeder Partei dazu schon so viel Unsinn gesagt haben, dass sie sich alle ständig widersprechen. Zwei meiner Leute füttern die Kanzlerin während der Debatte nur zu diesem Punkt.«
    Natascha beugte sich zu ihrem Nachbarn und raunte: »Füttern?«
    »Sie gehen parallel zu den Reden der Abgeordneten durch, was die früher mal zum Thema gesagt haben, und schicken ihr dann Widersprüche per SMS ins Plenum«, flüsterte der Finanzchef. »Das machen die wirklich Wichtigen alle längst. Sobald man einen Stab hat, kann man sich zuarbeiten lassen.«
    Natascha nickte. »Das erklärt zumindest, weshalb ich diesen Service noch nie hatte.«
    »Jetzt haben Sie ja einen Stab.« Er zwinkerte ihr zu. Von irgendwo her kam ein »Schhhh!«.
    Berg glänzte. Die Paulus kochte. Die Kanzlerin nickte stumm vor sich hin und ließ die anderen diskutieren, machte sich nur manchmal eine Notiz und ließ den Blick über die Runde gleiten, auch um zu sehen, wie diejenigen reagierten, die nicht das Wort hatten. Und Rau starrte unverwandt auf Natascha Eusterbeck. Natascha hatte das Gefühl, sie wurde einer heimlichen Prüfung unterzogen, gerade als wollte der Finanzminister sich vergewissern, ob sie echt war oder nur Dekoration. Sie selbst fragte sich, ob sie hier nicht letztlich als Trojanisches Pferd saß. Doch wenn das der Fall war: Wer waren dann die draußen, die darauf warteten, dass ihnen die Pforten geöffnet wurden?
    *
    Zwischen dem Bundeskanzleramt und dem neuen Berliner Hauptbahnhof lag kaum mehr als ein kleiner Spaziergang. Ein Hüpfer über die Spree. Gleichwohl wäre es reichlich auffällig gewesen, wenn die Staatssekretärin Natascha Eusterbeck mitten am Tag diese Strecke zu Fuß gegangen wäre. Also ließ sie sich ein Taxi rufen.
    Natascha fuhr nicht oft mit dem Zug, der Bahnhof mit seinen unkontrollierten Menschenmassen war ihr suspekt. Sie sah sich um, konnte aber zunächst nirgendwo eine Tapas Bar entdecken. Natürlich konnte sie an der Infotheke fragen. Doch auch das wollte sie lieber vermeiden. Als Staatssekretärin gehörte sie zwar zu den gefährdeten Personen im Land, an einem solchen Ort aber war sie nicht gefährdeter als alle anderen Anwesenden. Für eine Entführung oder ein Gewaltverbrechen war der Bahnhof ein denkbar ungeeigneter Ort. Man war ständig

Weitere Kostenlose Bücher