Kalte Macht: Thriller (German Edition)
Wahrscheinlicher freilich war, dass er selbst Förderer eines der Mitarbeiter der Bundesregierung war, ein heimlicher Sponsor, der nur darauf wartete, Gefälligkeiten einfordern zu können. Natascha nahm das Notebook und tippte kurz eine Mail an ihren Mann: »Kannst du mir bitte ein paar Infos über Lars von Wintersleben, Bankhaus Schätzing, besorgen? Danke!!!«
Dann griff sie wieder zum Buch und las. Es ging um das Attentat, dem Ritter zum Opfer gefallen war. Und tatsächlich waren in dem Zusammenhang sehr viele sehr fragwürdige Dinge vorgefallen. Nur dass Hagen daraus den Schluss ableitete, es habe eine große Verschwörung gegen den Chef der Nationalbank AG gegeben, das fand sie dann doch allzu weit hergeholt. Es war ja auch kaum denkbar: Wäre es wirklich so gewesen, wie Hagen schrieb, dass nämlich der Mord nicht auf das Konto der Linksterroristen ging, sondern von den politischen Eliten eingefädelt worden war, dann säßen nicht nur die Falschen hinter Gittern, die Täter liefen immer noch frei herum. Womöglich in diesem Augenblick durch das Kanzleramt.
Sie hatte gerade weiterzulesen begonnen, da klopfte es an der Tür. Schnell steckte sie das Buch weg. »Ja?«
Es war David Berg. Und er wirkte, als hätte er durch die geschlossene Tür genau sehen können, was sie da las. »Wollte nur kurz Hallo sagen, weil ich auf der Etage war.«
»Bist du das nicht jeden Tag?«
»… und ein paar Minuten warten muss«, ergänzte Berg mit schelmischem Gesichtsausdruck.
»Verstehe. Dann komm doch rein.«
»Nur ganz kurz. Die Alte wird mich gleich empfangen.«
»Klar.« Natascha bedeutete ihm, sich hinzusetzen. »Und? Guter Tag für dich?«
»Wenn ein guter Tag ist, dass man nicht ewig tüfteln muss, um die Politik der Regierung so darzustellen, dass es nicht vollkommen falsch und trotzdem nicht gelogen ist, dann ja.«
»Wow. Gehört der Satz zu deinen Standards?«
»Eigentlich nicht. Fiel mir eben so ein.«
»Trotzdem hab ich’s nicht kapiert. Bin beeindruckt.«
»Na ja«, sagte Berg und sah auf die Uhr. »Spricht eigentlich nicht für mich. Gute Journalisten zeichnet aus, dass sie komplexe Zusammenhänge einfach darstellen können. Gute Regierungssprecher auch.«
»Du warst doch bei der Westdeutschen Allgemeinen , richtig?«
»Ja. Warum?«
»Ach nichts, ich war mir nicht sicher. Wäre es Die Zeit gewesen, hätte ich dich nach einem Kollegen gefragt.«
»Vielleicht kann ich ja auch so helfen. Spätestens als Regierungssprecher lernt man sie ja fast alle kennen.«
»Der war vor deiner Zeit. Berthold Hagen.«
Natascha sah, wie David Berg einen Moment innehielt. Er musste nicht nachdenken, das war offensichtlich. Aber er antwortete mit einer winzigen Verzögerung, einer verdächtigen Verzögerung, so wie sie entsteht, wenn jemand seine Worte abwägt, ehe er sie ausspricht. »Hagen, ja«, sagte er. »Der war tatsächlich vor meiner Zeit. Aber ich kenne ihn.«
»Gut?«
»So wie man eben die großen alten Namen kennt.«
»Er war also einer der Großen?«
»Nicht sehr groß, aber doch eine wichtige Nummer bei der Zeit und später dann beim SFB. Warum fragst du?«
»Ach, ich lese gerade ein Buch von ihm und finde ihn eigentlich ziemlich beeindruckend. Allerdings neigt er wohl zu kruden Thesen.«
»Dazu kann ich nichts sagen. Ich weiß nur, dass er damals auf ziemlich hässliche Weise abgesägt wurde.«
»Will heißen?«
»Ach, dafür gibt es einige Beispiele. Vor allem in den mittleren und späteren Jahren von Brass war das ein beliebtes Mittel, sich an der missliebigen Presse zu rächen. Sie versetzen dich auf einen Posten ohne konkretes Profil und quälen dich mit belanglosen Aufträgen. Selbst davon bekommst du so wenige, dass dir vor Langeweile die Decke auf den Kopf fällt. Ist so eine Art journalistische Isolationshaft. Man vergisst, dich zu Konferenzen einzuladen, lässt dich zweimal mit dem Büro umziehen, bis du am Ende eines Flurs in einem finsteren Loch sitzt. Gleichzeitig gibt es Stress, wenn du nicht anwesend bist. Und sie prüfen jeden Monat deine Spesenabrechnungen und stellen dich zur Rede. Damit machen sie dich mürbe …«
»Klingt ja wie die Verbannung aus der Fraktion«, erinnerte sich Natascha an die Mobbing-Praktiken, die Bundestagskollegen erlebten, wenn sie sich nicht dem Fraktionszwang unterwerfen wollten.
David Berg nickte. »Ist auch ähnlich. Nur dass sie dich im Bundestag bei der nächsten Abstimmung vielleicht doch brauchen und deshalb nicht ganz vernichten.«
»Während
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