Kalte Spuren (German Edition)
Schatten fiel auf ihr Gesicht. Die imposante Gestalt überragte sie um mindestens zwei Köpfe. Sie trug einen dunkelgrauen Nadelstreifenanzug mit Krawatte, hatte breite Schultern und einen kahlen Schädel. In dem Mundwinkel des breiten Gesichts mit den eisgrauen Augen hing eine glimmende Zigarre.
»Mrs Stylez«, sagte der General mit einem Anflug von Freude in der Stimme. »Freut mich, dass Sie wieder zurück sind. Ich hoffe, Ihr Außeneinsatz hat Sie nicht allzu sehr gestresst.«
»Es geht schon«, hörte Gwen sich sagen, obwohl ihre Gedanken wie gelähmt zu sein schienen.
Eine blaue Dunstwolke umnebelte das Gesicht des Generals. Er paffte an seiner Zigarre und schürzte die Lippen. »Tapfer. Das schätze ich an Ihnen, Mrs Stylez. Mir ist jedoch wohler, wenn wir auf solche Einsätze verzichten können. Ich brauche Sie hier. Nicht auszudenken, wenn Hannigan Sie überwältigt hätte.«
»Ja, Sir. Die Angelegenheit ist ja jetzt erledigt.«
»Das beruhigt mich.«
Gwen fasste endlich mehr Mut und reckte das Kinn in die Luft. »Leider ist es mir nicht gelungen, Hannigan auf unsere Seite zu ziehen.«
»Es war einen Versuch wert.« Der General musterte sie von oben bis unten. In seine Augen trat ein lüsterner Blick, der Gwen bekannt vorkam. Auch ihr General hatte sie zeitweise so angestarrt. Annäherungsversuche gab es jedoch nie.
»Ich würde es begrüßen, wenn Sie mir nach der Aufregung heute Abend beim Dinner Gesellschaft leisten, Mrs Stylez.«
»Gerne«, sagte Gwen, wohl wissend, dass sie heute Abend schon lange nicht mehr hier sein würde. Vorausgesetzt natürlich, alles ging glatt über die Bühne.
Der General verabschiedete sich und ging Zigarre rauchend davon. Gwen blickte ihm hinterher, bis er im anderen Gang verschwunden war. Dann erst atmete sie tief und erleichtert aus.
Sie drehte sich um und öffnete die Tür zur Kommunikationszentrale. Der Raum war genauso, wie sie ihn aus der Basis ihres Generals in Erinnerung hatte. Groß, aber vollgestopft mit langen Tischreihen, auf denen Tastaturen und Bildschirme standen. Vor jedem Terminal saß ein Mann oder eine Frau, durch dunkle Brillengläser auf das Display starrend. Es gab kein Licht. Die einzige Beleuchtung rührte von den Schirmen und den Dioden der betriebsbereiten Geräte her. Keiner der Arbeitsplätze besaß eine persönliche Note. Keine Getränke auf den Tischen. Keine eingepackten Sandwiches für einen Snack zwischendurch. Das Herz einer Organisationszelle war so steril und nüchtern wie das, was es beschaffen sollte: nackte Informationen.
Gwen ging zur ihrem Posten – vielmehr zu der Station, die zuvor ihrer toten Schwester Gabrielle bestimmt war. Sie nahm die Brille, die äußerlich große Ähnlichkeit mit einer Panoramasonnebrille besaß, und setzte sie auf. Bei dem Stück handelte es sich um ein Produkt modernster und ausgefeilter Technik. Auf den Innenseiten projizierte eine ultradünne Membran Bilder und Filmschnipsel direkt auf die Netzhaut des Trägers, während über die eingebauten Miniaturlautsprecher Ton in die Gehörgänge übertragen wurde. Gwen hatte von Plänen der europäischen Zellen gehört, die Technologie mit Nanoimplantaten noch zu verfeinern und eine direkte Verbindung zum menschlichen Nervensystem zu ermöglichen.
Eine wahre Informationsflut zuckte über die Netzhäute. Gwen berührte den Touchscreen vor sich und selektierte den Datenstrom. Sie musste sich auf die primären Nachrichten beschränken.
Also schön, was wollen wir wissen?
Sie griff in ihre Manteltasche und aktivierte die WiFi-Funktion des Blackberrys. Gleichzeitig stellte sie eine Verbindung zwischen dem Smartphone und der virtuellen Datenbrille her.
Sie begann die Datenbanken der Organisation zu durchforsten. Die Brille, über eine feine Hornhautsensorik nur auf die DNS einer Stylez zugeschnitten, autorisierte sie automatisch zur Einsicht geheimer Daten, ohne lästige Passwortabfragen. Ohne Umschweife suchte sie nach dem Begriff Misty Hazard. Kurz darauf wurde die Namensliste auf dem Brillendisplay angezeigt.
Zwanzig, nicht fünfzehn Teilnehmer. Hannigan hatte ihr bereits erzählt, dass auf der Liste des Speicherchips ebenfalls fünf weitere Namen aufgetaucht waren.
Eine Weltkarte wurde eingeblendet und zeigte die Namen als Icons an verschiedenen Punkten des Globus. Drei grüne. Zwei rote. Ein orangefarbener Kreis. Ein weißer. Gwen bewegte einen Zeiger über die entsprechenden Markierungen und Infoblasen zeigten die den Icons zugeordneten Daten
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