Kalte Wut
gelungen. Weatherby lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und funkelte ihn an. Sein aalglattes Verhalten und sein öliger Ton waren wie weggeblasen.
»Ich warne Sie noch einmal. Sie sollten Salzburg mit dem nächsten Zug oder Flugzeug verlassen. Salzburg ist gefährlich …«
Philip stand auf, nahm seinen Mantel und ging, als der Kellner gerade mit Weatherbys Kaffee kam. Er glaubte nicht, daß der Kaffee Weatherbys Zustimmung finden würde.
Philip wanderte langsam durch die schmale Schlucht der Getreidegasse und tiefer in die Altstadt hinein. Es waren nur sehr wenige Leute unterwegs, abgesehen von ein paar Frauen, die aus einem der vielen kleinen Läden kamen. Stellenweise war der Schnee abgetreten, und die vereisten Kopfsteine lagen bloß. Auf ihnen konnte man leicht ausrutschen, und er hatte nach wie vor das Gefühl, verfolgt zu werden. Er tat so, als interessierte er sich für ein Antiquariat und trat in eine Nische, die zu der geschlossenen Tür führte. Eine Hand ergriff seinen Ärmel. Seine rechte Hand fuhr in seinen Mantel und griff nach der Walther.
Eine vertraute Stimme sprach.
»Sie sind in großer Gefahr — Sie werden von zwei Männern verfolgt …«
Palewskis Warnung war eindringlich. Philip starrte die gnomenhafte Gestalt an, das kraftvolle Gesicht mit der langen, geraden Nase, den dicken Brauen, dem dunklen Schnurr– und Backenbart. Palewski trug einen gefütterten Anorak und eine alte Schirmmütze. Philip ergriff seinen Ellenbogen.
»Hier drin sitzen wir in der Falle – der Laden ist geschlossen.
Wir werden zusammen auf die Straße hinausgehen, weiter in der Richtung, aus der ich gerade gekommen bin. Aber nicht zu schnell – auf dem Eis kann man leicht ausrutschen …«
Als sie heraustraten, schaute er rasch zurück und sah ungefähr ein Dutzend Meter entfernt zwei Männer in Lederjacken, die auf sie zukamen. Ein dritter stand hinter ihnen. Lucien? Philip drängte Palewski voran. Sie gelangten an eine schmale Gasse, die von der Straße abzweigte, und er zog Palewski hinein. Ihm war aufgefallen, daß Teile der Altstadt mit Verbundsteinen gepflastert wurden und Arbeiter einen Teil der Gasse aufgerissen hatten, bevor sie Feierabend machten. An einer Mauer war ein großer Haufen von dreieckigen Verbundsteinen aufgestapelt.
»Es hat keinen Sinn«, sagte Palewski. »Einer von ihnen ist hier in der Gasse …«
Eine untersetzte Gestalt kam ihnen entgegen, grinsend und mit einem langen Messer in der Hand. Philip hatte in seiner Jugend Kricket gespielt und war ein hervorragender Ballmann gewesen.
Zuerst hatte er daran gedacht, die Walther zu benutzen, aber das würde zu viel Aufsehen erregen, und Tweed wollte ihre Anwesenheit in Salzburg geheimhalten.
»Treten Sie an die andere Mauer zurück«, sagte Philip.
Mit seiner behandschuhten Hand hob er einen der scharfkantigen Verbundsteine auf, hob den Arm und schleuderte ihn mit seiner gesamten Kraft. Er traf den Gangster in der Gasse an der Stirn. Er gab einen gedämpften Schrei von sich, sackte in den Schnee, lag still.
Philip fuhr herum, nahm zwei weitere Steine auf und ging hinter dem Haufen in Deckung. Die beiden Männer befanden sich jetzt gleichfalls in der Gasse und kamen, jeder mit einem Messer in der Hand, auf ihn zu.
»Ganz in der Nähe ist ein Polizeirevier«, zischte Palewski.
Was Philip die Erklärung dafür lieferte, weshalb die Gangster sie lautlos umbringen wollten. Er richtete sich plötzlich auf.
Verblüfft blieben die beiden Männer stehen, was ihnen zum Verhängnis wurde. Philip schleuderte einen zweiten Stein. Seine rasiermesserscharfe Kante traf den links stehenden Mann an der Kehle und riß sie auf. Er taumelte, ließ sein Messer fallen, tastete nach seiner Kehle, kippte nach vorn und lag dann reglos da. Sein Begleiter stürmte mit vorgehaltenem Messer heran, als der dritte Stein auf seine Nase prallte und die Knochen zersplitterte.
Er stand ein paar Sekunden mit ausgebreiteten Armen ganz still da, dann stürzte auch er zu Boden.
»Rasch, wir müssen von hier verschwinden«, drängte Philip.
Palewski hatte sich an die Wand gedrückt, und jetzt setzten sie sich beide in Bewegung. Keiner von ihnen warf einen Blick auf die am Boden liegenden Männer. Philip ergriff wieder Palewskis Arm, um ihn daran zu hindern, auf eine größere Straße hinauszurennen.
»Langsam gehen, als wäre nichts passiert.«
»Wenn ich morgen nicht im Sigrist bin«, sagte Palewski schwer atmend, »hinterlasse ich eine Nachricht. Die Adresse ist
Weitere Kostenlose Bücher