Kalte Wut
– sie könnten Wachen aufgestellt haben …«
Drinnen war es ebenso eisig kalt wie draußen – ein Stück weit.
Nachdem sie um eine Ecke gebogen waren und sich in tiefster Dunkelheit befanden, benutzte Nield seine Stablampe. Er ließ ihren Strahl an der Felswand emporwandern, bis er die Decke erreicht hatte. An der Decke verliefen ein Strom– und ein Telefonkabel – was nicht gerade auf einen verlassenen Salzstollen hindeutete. Sie unterhielten sich flüsternd. Auch Butler hatte die Kabel gesehen.
»Telefonverbindung zur Außenwelt. Strom – wahrscheinlich für Licht und Heizung. Ob sich dort drinnen ein Hilton befindet?«
»Falls ja, glaube ich nicht, daß es viel Profit macht.«
»Ich kenne mich in Stollen aus, Pete. Ich kann Geräusche selbst in größerer Entfernung hören und identifizieren. Also werde ich vorausgehen.«
»Ich bleibe dicht hinter Ihnen.«
»Kommt mir weniger kalt vor«, sagte Butler, als sie tiefer in den Stollen eingedrungen waren.
»Wesentlich wärmer, würde ich sagen«, erwiderte Nield.
»Also lassen Sie uns noch vorsichtiger sein …« Auf die Schwellen zwischen den Schienen tretend, die im Licht von Nields Taschenlampe funkelten, gingen sie langsam tiefer in den Berg hinein. Sie hatten eine Ecke erreicht, um die Butler herumlugte. Dann streckte er rasch die Hand aus, um die Taschenlampe abzudecken, die Nield sofort ausschaltete.
»Wir sind angekommen«, sagte er. »Eine mächtige Stahltür mit einem Rad in der Mitte – wie an einem Banktresor – sperrt den Stollen ab. Darüber befindet sich eine Leuchtstoffröhre. Und darunter steht ein Wachmann mit einer Maschinenpistole.«
»Können wir dicht genug herankommen, um ihn zu erledigen?«
»Wir könnten es vielleicht schaffen, aber ich weiß nicht, ob es uns gelingen würde, diese Tür zu öffnen. Wir brauchen ein bißchen Glück. Es ist bald Essenszeit. Vielleicht wird die Wache abgelöst, und dazu muß die Tür geöffnet werden.«
»Sie kümmern sich um den Mann, den Sie gesehen haben, und ich um seine Ablösung. Wenn nur ein Mann als Ablösung kommt, wenn wir es lautlos tun können, wenn überhaupt jemand auftaucht. Eine Menge Wenns«, erklärte Nield, nicht so siegessicher wie gewöhnlich.
»Wir könnten sie erschießen«, sagte Butler vergnügt. »Tweed will wissen, was hier vorgeht.«
»Wenn wir ein paar Schüsse abgeben, kommen andere angerannt, vielleicht ein ganzes Bataillon. Wie ist der Wachmann gekleidet?«
»In eine Art Uniform. Er trägt einen Soldatenmantel und eine Mütze, deren Schirm er tief in die Stirn gezogen hat. Und eine dunkle Schutzbrille. Und außerdem hat er ein Atemgerät um den Hals hängen, was merkwürdig ist.«
»Hört sich immer interessanter und immer gefährlicher an. Was bedeutet, daß wir uns umsehen müssen …«
Es kamen ihnen vor, als warteten sie eine Ewigkeit. Sie wagten es nicht, sich hinzusetzen, um auf jede Eventualität vorbereitet zu sein. Dann kam ein Moment, in dem Butler der Versuchung, um den Fels herumzulugen, nicht mehr widerstehen konnte. Er zog den Kopf schnell wieder zurück.
»Der Mann hat auf die Uhr gesehen. Vielleicht ist das ein gutes Zeichen. In einem Stollen verliert man jedes Zeitgefühl.«
»Bisher haben wir zwanzig Minuten gewartet«, sagte Nield, der gleichfalls auf die Uhr gesehen hatte.
»Achtung!« zischte Butler.
Sie hörten beide das schwache Geräusch von klickenden Schlössern. Die Tür wurde geöffnet. Butler lugte abermals um die Ecke, dann sprang er plötzlich vor, gefolgt von Nield mit seiner Walther in der Hand. Sie sahen den Rücken des Wachmannes, der darauf wartete, seinen Posten verlassen zu können; seine automatische Waffe baumelte an einem Riemen über seiner Schulter. Butler, der seine Handschuhe ausgezogen hatte, packte den Wachmann mit einer Hand bei der Kehle und legte ihm die andere auf den Mund. Er zog den Wachmann rückwärts, der daraufhin instinktiv versuchte, vorwärts zu rücken. Butler ließ mit beiden Händen los, ergriff von hinten seinen Kopf und knallte ihn gegen die Felswand. Dann zerrte er den zusammenbrechenden Mann beiseite.
Das alles hatte nur Sekunden gedauert. Im gleichen Zeitraum sah Nield, neben der geöffneten Seite der Tür und mit dem Rücken an der Felswand stehend, einen ähnlich uniformierten Wachmann herauskommen. Auch er hatte seine Waffe über die Schulter gehängt und blieb stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. Nield benutzte die linke Hand, um die dicke Schirmmütze herunterzuschlagen,
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