Kalte Wut
Leinen, die mit Hilfe einer elektronischen Fernsteuerung von der Villa aus gelöst werden konnten.
»Also, Gulliver, was meinen Sie? Zumindest kenne ich die Festung – ich bin einmal hinaufgefahren, um die Aussicht zu betrachten. Ich erinnere mich an den Reckturm.«
»Ich weiß nicht, ob es richtig war, zuzustimmen«, sagte Gulliver, um zu beweisen, wie bemüht er war, seinen Boß zu beschützen. Er hatte gleichfalls an einem Nebenanschluß mitgehört, im Gegensatz zu Newman aber nicht gewagt, Ratschläge zu erteilen, während Walvis sprach.
»Hier treffe ich die Entscheidungen«, erinnerte Walvis ihn.
»Und es war offensichtlich, daß Tweed sich nicht umstimmen lassen würde.«
Er stemmte seine Masse aus seinem Sessel hoch und stapfte zu einer der Terrassentüren, durch die man auf das verwahrloste Land hinter der Villa hinausschauen konnte. Hier standen die Läden offen – niemand konnte ihn sehen, weil das Grundstück von einer Hecke aus dichten, immergrünen Bäumen umgeben war. Er starrte hinaus auf die schneeverkrusteten Tannen, dann sprach er mit dem Rücken zu Gulliver.
»Es bestätigt, was ich schon seit geraumer Zeit vermute. Tweed ist eine sehr starke Persönlichkeit. Und wenn ich ihn nicht zu meiner Denkweise bekehren kann, muß er verschwinden. Er hat sich für das Zusammentreffen einen Ort ausgesucht, an dem er unverwundbar ist.«
»Wenn er nicht mit Ihnen übereinstimmt…«
»Lassen Sie uns positiver denken. Wenn er es tut, werde ich mir überlegen, ob ich ihn zum Gouverneur von England ernenne …«
»Aber wenn er es nicht tut – wenn Sie mit ihm allein auf der Plattform oben bei der Festung stehen? Könnten wir da nicht ein Zeichen verabreden, mit dem Sie ein negatives Ergebnis signalisieren?«
»Ja, ich denke, das könnten wir. Aber weshalb?«
»Geben Sie mir fünf Minuten an dem Telefon in meinem Büro.
Ich glaube, ich kann eine Methode arrangieren, mit der wir Mr. Tweed auf der Plattform eliminieren können …«
»Sie muß absolut narrensicher sein«, warnte Walvis.
»Sie wird absolut narrensicher sein«, versicherte ihm Gulliver.
»Da wir gerade von Narren reden – wir haben noch nichts von Martin gehört. Wahrscheinlich vertreibt er sich die Zeit bei irgendeiner Frau. Martin ist faul …«
»Ich gehe jetzt und leite alles in die Wege«, sagte Gulliver.
Martin war keineswegs faul. In der Umgebung von Walvis’ Bauernhaus hatte es die ganze Nacht hindurch geschneit, und es gab keine Möglichkeit, mit dem Hubschrauber nach Grafenau zu fliegen.
Frustriert hatte er immer und immer wieder versucht, telefonisch durchzukommen, aber es war immer dasselbe. Die Leitung war unter dem Schnee zusammengebrochen. Am Morgen, während Tweed sich mit Palewski im Cafe Sigrist traf, schneite es immer noch. Doch dann schlug das Wetter plötzlich um.
Es hörte auf zu schneien, der Himmel klarte auf, und die Sonne kam heraus. Es war später Vormittag, als die Sikorsky einen dick eingemummten Martin zu dem kleinen Flugplatz brachte, an dem Nield und Butler am Vortag ein Flugzeug und einen Tanklaster zerstört hatten.
»Das gefällt mir nicht«, bemerkte Martin zu seinem Assistenten Hans, der nur etwas sagte, wenn er angesprochen wurde.
»Was ist das?« fragte Hans, ein kleiner, untersetzter Mann mit slawischem Gesichtsschnitt.
»Sehen Sie doch selbst hin!«
Als der Hubschrauber tiefer ging, sahen sie die ausgebrannten Überreste des Flugzeugs und des Tanklasters. Karl, der junge, gutaussehende Mann, der für das Unternehmen Grafenau verantwortlich war, wartete auf sie. Er hatte den herankommenden Hubschrauber gehört und vermutet, wer darin saß.
Sobald der Hubschrauber gelandet war, sprang Martin heraus, duckte sich unter den wirbelnden Rotorblättern hindurch und rannte auf Karl zu, um zu beweisen, wie fit er war. Er rutschte auf dem Eis aus und stürzte in den hohen Schnee. Karl versuchte, ihm aufzuhelfen.
»Lassen Sie das!« fuhr Martin ihn wütend an. »Was, zum Teufel, ist hier passiert?«
»Das Schlimmste, das man sich denken kann, eine Katastrophe.« Karl war nicht der Ansicht, daß es sich lohnte, einem Vorgesetzten um den Bart zu gehen. »Der ganze Komplex im Berg ist zerstört. Die Männer und Frauen drinnen sind alle tot.«
»Tot? Wovon reden Sie? Sie müssen verrückt sein – da drinnen sind mehr als hundert Leute.«
»Mehr als hundert Leichen«, korrigierte ihn Karl. »Und ich bin keineswegs verrückt. Wollen Sie jetzt erfahren, was passiert ist?
Wenn ja, dann hören Sie
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