Kalte Wut
hinten. »Wir haben vorher als Straßenrowdies verkleidete Späher auf Motorrädern ausgeschickt, damit sie die gesamte Gegend erkunden. Sie haben berichtet, daß die umliegenden Gebäude halb verfallen sind und seit Jahren leerstehen. Aber Walvis’ riesiges Lagerhaus ist mit allen Schutzvorrichtungen ausgestattet, die je erfunden worden sind. Ja, Sie haben recht, es kann durchaus sein, daß wir eine Festung stürmen müssen, sofern sie nicht lammfromm herauskommen.«
»Werden sie das tun?« fragte Newman.
»Das glaube ich kaum. Wenn dieses Lagerhaus eines von Walvis’ großen Arsenalen ist, müssen wir mit erbittertem Widerstand rechnen.«
In der heruntergekommenen Gegend, durch die sie jetzt fuhren, gab es weniger Straßenlaternen. Paula sah, wie mehrere Männer in die Dunkelheit rannten und vollends verschwanden, als die Kolonne herannahte.
»Leben hier überhaupt Leute?« fragte sie.
»Bei dem Gesindel, das, wie Sie gesehen haben, vor uns die Flucht ergreift, handelt es sich um Drogendealer«, erwiderte Kuhlmann. »Das hier ist nicht gerade die feinste Gegend von München.«
»Fährt jemand vor uns her?« erkundigte sich Tweed.
Er stellte die Frage nur, um die Anspannung zu mildern, die das Innere des Wagens erfüllte wie ein Gas. Trotzdem hielten die Männer des MEK ihre Waffen locker. Einer der Männer hatte sogar eine unangezündete Zigarette im Mund, die er hin und her rollte.
»Ja«, beantwortete Kuhlmann Tweeds Frage. »Wir haben die Motorradfahrer wieder vorausgeschickt. Sie kennen die beste Route zu dem Lagerhaus – und wir sind gleich da. Tweed, Paula und Newman, Sie bleiben hier in diesem Wagen, bis ich zurück bin. Das ist ein Befehl …«
Paula wunderte sich, weshalb Kuhlmann Philip in seinen Befehl, im Wagen zu bleiben, nicht einbezogen hatte. Der Grund dafür stellte sich heraus, als der Wagen an einem Gebäude anhielt und einer der Motorradfahrer zurückkehrte. Er erstattete Kuhlmann durch das Fenster hindurch Meldung.
»Keinerlei Lebenszeichen. Aber es sind Leute in dem Haus, vielleicht sogar eine ganze Menge, das spüre ich.«
»Dann sollten wir loslegen.« Kuhlmann sah Philip an. »Sie dürfen mitkommen, unter einer Bedingung. Sie bleiben an meiner Seite und befolgen jeden Befehl, den ich Ihnen gebe. Und wenn ich runter sage, dann werfen Sie sich blitzschnell hin …«
Weitere Fahrzeuge waren eingetroffen und hatten neben Kuhlmanns Wagen angehalten. Männer mit vermummten Köpfen und automatischen Waffen in den Händen sprangen aus dem Wagen, der vor Kuhlmann angehalten hatte, und aus den anderen Wagen, die seinem gefolgt waren. Sie schwärmten aus, wobei sie darauf achteten, reichlich Abstand voneinander zu halten, um im Falle einer feindseligen Reaktion kein massives Ziel zu bieten.
Kuhlmann hatte beim Aussteigen aus seinem Mercedes unter den Sitz gegriffen und ein Megafon hervorgeholt, mit dem er sich jetzt vorsichtig der Ecke des Gebäudes näherte. Er lugte darum herum, zog den Kopf zurück, sah Philip an.
»Von hier aus können Sie das Ziel sehen. Machen Sie mir keine Vorwürfe, wenn Ihnen der Kopf weggeschossen wird. Und keine Heldentaten – dies ist eine bis ins Detail geplante Operation, falls sie erforderlich sein sollte.«
Philip folgte dem Beispiel des Deutschen und warf einen raschen Blick um die Ecke herum. Im Mondlicht machte das ein Stück von der Straße zurückgesetzte und von einer hohen Steinmauer umgebene Lagerhaus einen riesigen Eindruck und wirkte vermutlich noch größer, weil die Seite, die er sah, in tiefem Schatten lag. In mehreren Stockwerken gingen Fenster, deren Scheiben zum Teil zerbrochen waren, auf die Straße hinaus, und vor der Mauer lag eine freie, mit Kopfsteinen gepflasterte Fläche.
In der Nähe des geschlossenen Tors sah er im Schnee die Spuren von schweren Fahrzeugen. Der Abstand der Fahrspuren verriet die Größe der Lastwagen, die erst kürzlich durch das Tor gefahren waren. Er zog seinen Kopf zurück und berichtete Kuhlmann, was er gesehen hatte.
»Sie sind ein guter Beobachter, wenn Sie in so kurzer Zeit so viel gesehen haben«, bemerkte Kuhlmann. »So, und jetzt wollen wir mal sehen, ob sie vorhaben, vernünftig zu sein.«
Er winkte dem Leiter des Einsatzkommandos zu, der in einem Hauseingang auf der anderen Straßenseite stand. Philip hatte nicht gesehen, wie er über die Straße gelaufen war. Kuhlmann hob das Megafon, hielt es dicht vor seinen breiten Mund und lugte um die Ecke herum, während er seine Botschaft
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