Kalte Wut
schwachen Hauch eines teuren Parfüms.
»Ich kann keine Wimper sehen«, sagte er. »Halten Sie still und hören Sie auf, in Ihrer Tasche herumzuwühlen.«
»Ich suche nach einem Papiertaschentuch, das vielleicht helfen könnte.«
Die Tränen rannen ihr immer noch über die Wange, und sie schaute ihm in die Augen. Er empfand ihr intensives Blau als beinahe hypnotisierend. Sie rückte näher, ihre Körper berührten sich, dann hielt sie still.
»Ihre Mentholzigaretten, Madame.«
Es war der Barmann, der erstaunlich schnell zurückgekommen war. Er musterte sie und bemerkte die Tränen.
»Es ist doch hoffentlich nichts passiert, Sir?«
»Nur eine Wimper in ihrem Auge.«
»Kann schmerzhaft sein. Ich setze die Zigaretten mit auf die Rechnung.«
»Tun Sie das«, sagte Newman.
Lisa hatte sich entspannt, wischte sein Taschentuch beiseite.
Dabei glitt ihre offene Umhängetasche zu Boden, und der Inhalt kippte heraus. Der übliche Kleinkram, den eine Frau in ihrer Handtasche und ein Mann in seinem Anzug trägt. Sie holte ein großes Papiertaschentuch aus einer Schachtel, betupfte damit ihr Auge und dann das ganze Gesicht. Newman hob alles auf und verstaute es wieder in der Umhängetasche. Sie entschuldigte sich für ihre Ungeschicklichkeit und dankte ihm für seine Hilfe. Dann blinzelte sie mehrmals rasch hintereinander.
»Was immer es gewesen sein mag, es ist fort. Sie haben mir sehr geholfen. Und jetzt knurrt mein Magen. Wie steht es mit Essen?«
»Unser Tisch wartet auf uns …«
Bei der Vorspeise unterhielten sie sich, Chablis trinkend, angeregt über die Orte, an denen sie am liebsten Urlaub machten.
Bald hatte Newman das Gefühl, als kennten sie sich seit Wochen, nicht erst seit Stunden.
Er kam zu dem Schluß, daß Lisa voller Selbstvertrauen steckte, aber ohne den Anflug einer Arroganz, die erfolgreiche Geschäftsfrauen häufig an den Tag legen. Er wartete, bis sie mit dem Hauptgericht fertig waren und reichlich Wein getrunken hatten – Lisa hielt Glas für Glas mit ihm Schritt. Dann schien ihm der rechte Moment gekommen zu sein, um die Frage zu stellen, mit der er bisher hinter dem Berg gehalten hatte.
»Ich schwebe wie auf Wolken und genieße jeden Augenblick dieses Abends«, hatte Lisa gerade bemerkt.
»In dem Bistro in Bosham«, begann er, »haben Sie gesagt, Sie arbeiteten für einen Finanzberater. Als Detektivin und Betrügerin.
Wie heißt die Firma, für die Sie arbeiten?«
»Sie wären schockiert, wenn ich es Ihnen sagen würde. Wir wollen uns doch diesen wundervollen Abend nicht verderben.«
»Mich schockiert überhaupt nichts. Ich könnte es herausbekommen, aber mir wäre es lieber, wenn ich es von Ihnen hören würde. Testen Sie meine Hartgesottenheit«, sagte er mit einem Grinsen.
»Sie haben ein entschieden zu einnehmendes Wesen. Kein Wunder, daß Sie ein so erfolgreicher Auslandskorrespondent waren. Ich wette, die meisten Ihrer Informanten waren Frauen.«
»Nur ein Teil davon. Aber Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«
»Ich hoffe, Sie mögen mich immer noch.« Sie hielt einen Moment inne. »Ich rede von Aspen & Schneider Associates.«
»Ich verstehe. Nicht direkt Berater – sie sind die größten Erforscher des Finanzgebarens von Firmen in der Welt. Mit Sitz in New York.«
»Sie sind doch schockiert«, warf sie ihm vor und spielte mit den Fingern an ihrer mit Diamanten besetzten Armbanduhr.
»Aber sie zahlen gut. Ich fliege häufig nach New York. Mit der Concorde. Jetzt habe ich einen Auftrag auf dem Kontinent. Ich glaube immer noch, daß Sie schockiert sind.«
»Sie stehen in dem Ruf, in dieser Branche die erbarmungsloseste und skrupelloseste Firma auf der ganzen Welt zu sein. Sie verfügen über ein ganzes Heer von Anwälten – damit sie sich gerade noch innerhalb der Grenzen des rechtlich Zulässigen bewegen, wenn sie eine Firma ausforschen. Und es kommt nicht selten vor, daß sie einem Klienten ein Honorar von einer Million Dollar berechnen – oder mehr.«
»Sie sind also doch schockiert. Sie glauben, ich würde alles tun, um auch weiterhin mein dickes Gehalt kassieren zu können.«
»Nun«, er grinste abermals, »das haben Sie gesagt, nicht ich.
Also – würden Sie alles tun?«
»Ich ziehe Grenzen. Es gefällt ihnen nicht, wenn ich das tue – aber auf die Gefahr hin, unbescheiden zu klingen: Ich bin in meinem Job so gut, daß sie mich nicht verlieren wollen.«
»Dieser Auftrag auf dem Kontinent – wohin führt er Sie? Ich bin selbst viel unterwegs –
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