Kalter Amok
Licht und kehrte zum Eingang mit dem Baldachin zurück. Zwei Portiers sprangen herbei und rissen die Türen auf. Guimaraes kletterte hinaus und ging um das Heck des Wagens herum, bevor er das Foyer betrat. DeLeon stieg ebenfalls aus, streckte dann aber seinen Kopf ins Wageninnere und schaute Hirsch und Haydon an.
»Kommen Sie zurück und bestätigen Sie uns, was wir besprochen haben?«
»Worauf Sie sich verlassen können«, sagte Haydon. Er schaute sich nicht einmal um.
DeLeon blieb noch an der offenen Tür; ihm war nicht ganz wohl bei der Sache. »Ich warte darauf, von Ihnen zu hören«, sagte er.
»Wir rufen an«, sagte Hirsch.
DeLeon schaute ihn an. Er schien noch mehr sagen zu wollen, war aber offenbar nicht sicher, ob er es tun sollte. Vielleicht war er nun doch argwöhnisch geworden.
»Fahren wir«, sagte Haydon zu Hirsch, und DeLeon zog sich zurück und schlug die Tür zu, als sich der Wagen in Bewegung setzte.
Weder Haydon noch Hirsch schauten sich um, als sie die Plaza umrundeten unter dem leuchtenden Wolkenkratzer, der sich gebieterisch in die Nacht erhob und die Sterne in den Schatten stellte.
33
Als Haydon am nächsten Morgen in Dystals Frühstückslokal kam, saßen Mercer und Russ Million bereits beim Lieutenant am Tisch und tranken Kaffee. Million schickte ein Lächeln quer durch das Lokal, als Haydon auf sie zukam. Der junge Assistent der Staatsanwaltschaft hatte in den zwei Jahren, die Haydon beim Präsidium arbeitete, das volle Vertrauen des Kriminalbeamten gewonnen. Million sprach leise, war etwa so groß wie Haydon und trug ziemlich langes, kastanienbraunes Haar mit helleren Strähnen. Seine Kleidung erinnerte immer ein wenig an den wilden Westen, aber er achtete darauf, daß sie geradezu militärisch adrett war, genau wie sein breiter Schnauzbart. Er zeigte die Haltung eines Texas-Rangers aus früheren Zeiten und ein entwaffnendes, freundliches Lächeln, das unabsichtlich die Tatsache verschleierte, daß er in Wirklichkeit hart und standhaft war und die Verfolgung von Straftätern liebte. Haydons Mutter hätte ihn in jeder Beziehung für einen echten Gentleman gehalten.
Jetzt nahm sich Haydon den einzigen noch freien Stuhl, und die Kellnerin stand auch schon da mit dem Kaffee.
»Wie ist es gegangen?« fragte Mercer.
»Bestens. Hirsch hat sich einen Oscar dafür verdient.«
»Sie meinen, die zwei haben ausgepackt? DeLeon hat nicht den dritten Grad angewendet?« Million grinste.
Haydon schlug den Aktenumschlag auf, den er in der Hand hatte, und gab jedem von ihnen drei zusammengeheftete Blätter.
»Sind Sie sicher, daß Sie sich keine Blöße gegeben haben?«
»Es wird klappen«, sagte Haydon. Er trank schweigend seinen Kaffee, während die anderen die Liste durchsahen.
Million begann als erster zu sprechen. »Skandalöse Zeiten, Jungs.«
»Ja, ich kenne ein paar von den Namen«, sagte Dystal.
»Bei einigen von ihnen könnten wir Mord ersten Grades ins Feld führen«, sagte Million. »Die Geschworenen hören es nicht gern, wenn kleine tote Mädchen einfach wie Müll weggeworfen werden. Ich bin froh, daß es nicht mehr den Tatbestand ›Beihilfe nach der Tat‹ gibt. Das wäre für ein paar von den Leuten zu gut.«
»Und wie wollen Sie von hier aus weitermachen?« fragte Mercer an Haydon gewandt.
»Was die drei Mädchen betrifft, die außerhalb dieses Staates leben, übergeben wir die Akten einfach den betreffenden Staatsanwaltschaften. Damit haben wir das erst mal aus dem Weg. Bleiben für uns acht Tote. Wir haben die Leichen von dreien – die zwei, die Leo in der Leichenhalle entdeckt hat, und Petra Torres. Wenn wir diese als Mordfälle behandeln, wie es Russ Million will, müssen wir eine Beziehung zwischen den Mädchen und den Männern herstellen, denen sie gehörten. Das gelingt uns mit Hilfe von Guimaraes und DeLeon. Wenn wir die Fälle rasch erledigen wollen, können wir den Männern, die sie gekauft haben, das Zeugnisrecht bei Straffreiheit einräumen und die Fälle abschließen. Wir können natürlich auch erreichen, daß die Namen der Männer wochenlang durch die Medien gezerrt werden; dann freilich dürfen wir kaum mit Schuldgeständnissen rechnen.
Bleiben also fünf tote Mädchen, deren Leichen bisher nicht gefunden wurden. Vielleicht finden wir das Mädchen von diesem Antonio Vianna, aber ich möchte ihn eigentlich nicht mit einem Mordprozeß belasten. So, wie DeLeon es mir berichtet hat, verliebte sich der Mann in das Mädchen und war völlig verzweifelt über
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