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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David L. Lindsay
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hiergewesen, habe darauf gewartet, daß ich mit Ihnen sprechen kann.«
    Sie schaute ihn an. Dieser Bursche hatte ein Problem, und in ihr keimte der Verdacht, daß sie wußte, worin es bestand. Armer Teufel. Es war wirklich eine Schande, ansehen zu müssen, wie sich diese Kerle dazu zwangen. Sie hatte es schon früher ein paarmal erlebt, und wenn der Mut den Mann zum Manne macht, dann konnte sie diesen Kerlen nur bestätigen, daß sie trotz allem Männer waren. Man hätte denken können, heutzutage wäre so etwas nicht mehr nötig. Verdammt, manchmal sah es so aus, als ob die halbe Welt schwul wäre, und da war nun dieser arme Teufel und dachte, er müßte sich dazu zwingen, es mal mit einer Frau zu versuchen. Sie wußte nicht, ob sie ihn bemitleidete, oder was.
    »Ich bin für heute fertig«, sagte sie kalt. Und außerdem betreibe ich keine Praxis für Psychotherapie, fügte sie in Gedanken hinzu.
    »Bitte – bitte sehen Sie das doch nicht als – als Arbeit. Versuchen Sie, es so zu sehen, als ob wir uns hier ganz einfach und ganz zufällig kennengelernt hätten.«
    Plötzlich wurde sie wütend. »Ich weiß schon selbst, wie ich darüber denken soll«, fuhr sie ihn an. »Und Sie müssen den Verstand verloren haben. Bei mir gibt’s kein Freibier, für niemanden, und schon gar nicht für irgendwelche verdammten Schwulen, die mich auf diese Weise – «
    »Nein, nein, sagen Sie das nicht. Ich will ja bezahlen. Sie verstehen nicht.«
    »Psst, verdammt, reden Sie doch nicht so laut.« Sie strich sich nachdenklich über das strohige Haar. »Vergessen Sie’s«, flüsterte sie rauh. »Ich denke nicht daran, Sie mit nach Hause zu nehmen. Und Sie sollten jetzt lieber gehen.«
    »Ich bezahle das Doppelte.« Er beugte sich über den Tisch, imitierte unbewußt ihr Flüstern. »Zweimal so viel wie Sie normalerweise bekommen.«
    Sie sah, wie sich auf seiner Oberlippe Schweißperlen bildeten. Seine Augen hielten sie fest bei dem Versuch, sich verständlich zu machen. Doppelt? Würde er wirklich doppelt bezahlen? Bei Gott, das mußte er auch, denn für weniger würde sie ihn nicht anfassen – eher noch für das Dreifache. Nein, so etwas hatte sie nicht nötig.
    »Ich erhalte normalerweise hundert Dollar«, spottete sie, »für die halbe Stunde.« Es war eine Lüge, und sie diente dazu, die Knaben von den Männern zu trennen, sozusagen.
    »Zweihundert? Und in Ihrer Wohnung? Nicht in einem Motel?«
    »Genau«, sagte sie steif und glaubte nicht, daß er darauf eingehen würde. »Bei mir.«
    »Und was darf ich tun?« fragte er. Seine Stimme klang zitternd und nachdrücklich zugleich.
    »Für zweihundert Dollar können Sie, verdammt noch mal, tun, was Sie wollen.« Jetzt lächelte sie. Es konnte nicht besonders viel sein.
    Ohne zu antworten, langte er in seine Jackettasche und zog seine Brieftasche heraus. Sie schaute zu, wie er an einer Reihe von Zwanzigern vorbeiblätterte, um zu den Fünfzigern zu kommen. Dann nahm er vier davon heraus und legte sie fächerförmig auf den Tisch.
    Sie schaute ihn an, warf dann rasch einen Blick auf die Küchentür. »Die halbe Stunde beginnt mit der Sekunde, in der wir mein Schlafzimmer betreten«, sagte sie und sammelte das Geld ein.
    »Das ist mir recht.« Er versuchte wieder zu lächeln, aber es gelang ihm nicht. Ein krankhafter Ausdruck trat in sein Gesicht.
    Sie gingen drei Blocks weit nebeneinander her in ein stilles, altes Viertel nicht weit vom Cherryhurst Park und bogen dann in die Einfahrt eines zweistöckigen Doppelhauses ein. Hinter einem Oleandergebüsch mit weißen Blüten, die im grauen Licht des frühen Morgens wie kleine Rauchwölkchen aussahen, führte eine Außentreppe zu einem Apartment auf der Rückseite. Er folgte der Frau über die Treppe und sah zu, wie sich ihre Hüften unter dem dünnen Kleid bewegten. Dann blieb er mit ihr auf dem Treppenabsatz stehen, während sie den Schlüssel herausnahm und aufsperrte.
    Drinnen brannte ein Licht, in einer Wandfassung: ein einziges, schwaches Birnchen, eine Art Nachtbeleuchtung, die mit ihrem Schein die völlige Dunkelheit abzuwehren versuchte.
    »Sehr hübsch«, sagte er zu rasch, während er sich umschaute.
    »Dänische, moderne Möbel.«
    »Sieht teuer aus«, sagte er freundlich.
    Es sah nicht teuer aus, und sie wußte es. »Das Schlafzimmer ist hier«, sagte sie.
    Er folgte ihr durch eine Diele in einen verdunkelten Raum. Hier brannte gar kein Licht, und sie schaltete auch keines an. Tastete sich statt dessen langsam zum Fenster und

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