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Kalter Fels

Kalter Fels

Titel: Kalter Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Koenig
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überlegen können, was wir jetzt machen.«
    »Jetzt ist es doch auch schon egal«, gab Pablo zurück. »In ein paar Minuten sind wir eh in Kufstein. Der Polizist, den du letztes Mal besucht hast, wird dich wahrscheinlich schon erwarten. Und wenn das nun mal schon so ist, dann sollten wir ihn treffen und ihn persönlich informieren, oder? Wenn ich dich recht verstanden habe, haben wir ihm ja auch was zu verdanken.«
    Eigentlich hätten sich beide freuen müssen, dass zwei weitere Steinschlag-Fälle geklärt waren, dass Schwarzenbacher richtiggelegen hatte mit seiner Vermutung, es handle sich im Rofan und Kaiser nicht um Unfälle, sondern um kaltblütige Morde. Eigentlich.
    Aber die Stimmung blieb auf der weiteren Fahrt eher gedrückt. Was daran lag, dass Schwarzenbacher enttäuscht war, Ipflingers Frau nicht wiederzusehen. Sie würden höchstens eine Stunde bei McDonald’s sitzen und nicht zu dem jungen Beamten nach Hause fahren. Pablo hingegen war enttäuscht, nicht in die Berge zu kommen, nicht hineinwandern zu können ins atemberaubend wilde und schöne Kaisergebirge, wo die Felspfeiler wie mächtige Orgelpfeifen in den Himmel ragten.
    Dazu kam, wohl bei beiden, dass sie mit dem Ausgang der Dinge nicht wirklich zufrieden waren. Schwarzenbacher hatte den richtigen Riecher gehabt – und dann schnappte ihnen ein anderer die Beute weg …
    Das Spiel schien vorüber.
    Aber da war ja noch Ferdinand Senkhofer. Jetzt galt es, ihn zu erwischen, ihn aus dem Gebirge, wo er sich höchstwahrscheinlich verborgen hielt, herauszuholen, ihn endlich dingfest zu machen. Es musste sich doch irgendeine Spur finden lassen.
    * * *
     
    Er sah sie. Sie fiel ihm auf, weil nie jemand da unten an der Straße zu Fuß ging. Es gab Wanderer, die von Scharnitz in Richtung Mittenwald unterwegs waren oder auch in der Gegenrichtung. Aber die nahmen immer den Ziehweg, der am Bahngleis entlangführte. Auf der Straße fuhren Autos. Und Omnibusse. Und Motorräder. Und Traktoren. Und Lastwagen. Und Wohnwagen. Und manchmal auch Fahrräder. Fußgänger gingen da nie.
    Sie kam vom Grenzübergang, der keiner mehr war. Zumindest standen keine Zollbeamten mehr da und kontrollierten Ausweise und Kofferräume. Die Autos konnten ungehindert von Österreich nach Deutschland fahren und von Deutschland nach Österreich.
    Sie ging an der Tankstelle vorbei, ging dicht am Fahrbahnrand, manchmal schaute sie herüber, in seine Richtung, aber sie konnte ihn nicht sehen. Nein, sie konnte ihn nicht sehen. Doch er sah sie. Sah jede ihrer Bewegungen, sah jeden Schritt, den sie machte, sie war jung und sie war schön und sie passte nicht ins Bild …
    Sie ging zum Parkplatz neben dem Fluss. Sie schaute sich um, besah sich die drei Autos, die da standen, stieg dann auf einem Pfad die paar Schritte zum Wasser hinunter. Da glaubte er fast, sich getäuscht zu haben. Glaubte, dass diese junge Frau nur gekommen war, um sich am Wasser zu erfrischen oder um sich irgendwo in die Sonne zu legen. Vielleicht auf der Sandbank drüben, zwischen den niedrigen Büschen, vielleicht ohne was obenrum. So was sah er gern, und er hatte es einige Male gesehen. Aber heute? Heute schien die Sonne gar nicht. Zwar war es warm, aber die Sonne kam nicht hervor hinter den grauen Wolken. Da würde sich die junge Frau wohl nicht ausziehen und hinlegen und nur so daliegen, als ob sie darauf warten würde, dass ein Mann, irgendein Mann käme und Sachen machte mit ihr.
    Zuerst bedauerte er das. Doch dann wurde ihm wieder bewusst, dass sie nicht hierherpasste. Sie gehörte nicht hierher, hatte hier nichts verloren. Was tat sie da, wenn sie nicht zum Sonnenbaden kam? Was wollte sie an diesem Parkplatz, gleich neben der Straße, direkt unter seinem Versteck?
    Jetzt sah sie wieder herauf zu ihm. Nicht zu ihm; sie sah in seine Richtung. Schaute sich den Berg an wie ein Tourist, der zu einer Wanderung aufbricht und vorher das Gelände studiert. Ja, genau so. Oder wie eine Polizistin, die in diesem Gelände ein Versteck vermutet und die nicht zögern würde, zu ihm heraufzusteigen.
    Er lächelte. Geduckt hockte er hinter dem Stamm einer Buche und dem Stamm einer Lärche, die eng aneinandergewachsen waren, und lächelte. Er hatte sie ja im Blick, hatte sie im Visier, sie würde ihm nichts anhaben können. Nicht diese zierliche Person.
    Sie legte ihren Rucksack ab, bückte sich zum Wasser, wusch sich das Gesicht. Dann setzte sie sich ans Ufer und schaute wie beiläufig zu ihm herauf.
    Er hatte keinerlei

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