Kalter Grund - Almstädt, E: Kalter Grund
hatte ihn angerufen, um einen »Gesprächstermin« mit ihm zu vereinbaren. Dann hatte sich seine Frau Bettina beunruhigt bei ihm gemeldet und von ihrer Begegnung mit der Polizei berichtet. Dieser Mordfall im ›Grund‹ wühlte die ganze Geschichte mit Elise natürlich wieder auf. Kein Wunder, dass es Bettina dabeischlecht ging. Er spürte selber, wie sich ihm die Erinnerung an ihren Unfall wie ein Gewicht auf die Brust legte. Er musste zwar nicht ständig an den Tod seines Kindes denken, dazu war er zu beschäftigt, aber es lag immer ein dunkler Schatten über allem, was er dachte und tat.
Vollständig den Tag versaut hatte ihm allerdings erst das Telefonat mit Nina Schmidtbauer. Er hatte sie nach dem Gespräch mit Bettina angerufen, um ihr gemeinsames abendliches Treffen abzusagen. Meistens traf er sich dienstags mit Nina, während er Bettina erzählte, er sei beim Sport. Ein sehr entspannendes Arrangement und bestimmt gesünder als Squash oder Krafttraining. Aber Nina wurde langsam unbequem. Kay sorgte immer dafür, dass er seine Affären beendete, bevor es zu ernst wurde. Das dauerte bei den Frauen unterschiedlich lange. Kay hatte die Erfahrung gemacht, dass die ganz jungen, so bis 25 Jahre, und die älteren, so ab 38 Jahren, am dauerhaftesten waren. Die anderen wollten immer selbst noch eine Familie gründen und stellten Forderungen an ihn. Aber eine Familie hatte er ja bereits. So schien es auch bei Nina, 28 Jahre alt, wieder ein schneller Abschuss zu werden ... »Abschuss?« Er zuckte bei seinem eigenen Gedanken zusammen und bremste den Wagen ab, als er sich Lebrade näherte. Dieses Dorf quälte den Durchgangsverkehr mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 Stundenkilometer.
Er würde Nina natürlich nicht abschießen, sondern sie nett zum Essen ausführen und ihr dort, wo sie garantiert keine Szene wagen würde, den Laufpass geben. Wenn sie anschließend so wütend oder verletzt war, dass sie damit drohte, Bettina alles zu erzählen, würde sie feststellen, dass das nicht ratsam war. Kay behielt es sich vor, im Gegenzug Enthüllungen über sie zu machen, die sich negativ auf ihren weiteren Lebensweg auswirken könnten. Er wusste immer, wo der wunde Punkt lag.
Bei den Benneckes hatte jemand zu drastischeren und gefährlicherenMitteln gegriffen, um sich zu schützen. Das jedenfalls unterstellte Kay dem Täter als Motiv. Ruth Bennecke war eine unverbesserliche Klatschtante und hatte wahrscheinlich bei ihrem Mörder den gewissen Nerv getroffen, der dann ihren Tod und den ihrer Familie nach sich gezogen hatte.
Kay hatte selber einmal eine sehr unangenehme Erfahrung mit ihr gemacht. Er war damals noch Angestellter in einer anderen Firma gewesen, in der er eine kurze Affäre mit seiner Abteilungsleiterin hatte. Sie war zwar nicht sonderlich attraktiv, aber in diesem Fall hatte sie einmal die Initiative ergriffen und Kay fand die Verquickung von Sex und Macht amüsant. Richtig lustig war es aber erst geworden, als er gleichzeitig ihre Tochter kennen gelernt und verführt hatte, ohne dass Mutter und Tochter voneinander wussten.
Leider gab es einen Spitzel in der damaligen Firma. Eine entfernte Cousine von Ruth Bennecke arbeitete in der Buchhaltung und bekam irgendwie Wind von der Sache. Die Damen in der Buchhaltung steckten ihre Nase ja immer in alles, was sie nichts anging. Diese besagte Cousine hatte es natürlich an Ruth Bennecke weitererzählt, aber die Geschichte erschien ihr wohl zu brisant, als dass sie sie ungeprüft verbreiten wollte. Ruth Bennecke beschränkte sich auf Andeutungen und Sticheleien, die Bettina zwar zu Ohren kamen, die sie aber nicht für voll nahm, da sie Ruth Bennecke sowieso nicht leiden konnte.
Dann machte Malte Bennecke mit verschiedenen kleineren Missetaten auf sich aufmerksam und seine Mutter zog sich etwas vom Dorfklatsch zurück, um nicht selbst zu sehr unter Beschuss zu geraten – schon wieder diese Assoziation!
So jedenfalls erklärte sich Kay das Verstummen der Gerüchte. Bettina sprach ihn einmal auf diese Abteilungsleiterin an, und Kay machte sich den Spaß, die beiden auf einer Betriebsfeier einander vorzustellen. Danach war Bettina überzeugt vonder Unwahrheit der Gerüchte. Sie konnte sich scheinbar nicht vorstellen, dass er mit »so einer« etwas hatte.
Bettina war in dieser Hinsicht naiv. Aber gerade das schätzte er an ihr, im Gegensatz zu Frauen wie dieser Ruth Bennecke. Man dachte immer zuerst an sie, wenn man die Benneckes erwähnte. Ihr Ehemann Rainer
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