Kalter Grund - Almstädt, E: Kalter Grund
beschränkte sich immer auf das Nötigste. Die Benneckes fühlten sich als etwas Besseres als unsereins, weil sie schon seit Generationen auf dem ›Grund‹ sitzen, während dies hier früher ein Meierhof von Rothenweide war und ich den Hof hier erst nach dem Krieg gepachtet habe. Rainer Bennecke hat es zeit seines Lebens nicht geschafft, von dieser Schiene herunterzukommen, auch wenn er im Grunde vielleicht ein ganz anständiger Kerl war. Aber er hat die falsche Frau geheiratet.«
»Inwiefern?«
»Na, das hat ja wohl jeder in Grevendorf gewusst, dass auf dem ›Grund‹ seine Frau die Hosen angehabt hat.«
Pia kam es mittlerweile so vor, als hörte sie den gleichen Text mit anderer Melodie zum hundertsten Mal. Selbst ein Stirnrunzeln als Antwort schien Kraftverschwendung zu sein.
»Hatten Sie Kontakt zu Katrin Bennecke, der Tochter? Sie muss doch in etwa ihr Jahrgang gewesen sein«, wandte sie sich an den Sohn.
Hanno errötete, ob nun allein schon auf Grund der Tatsache, dass Pia ihn so direkt ansprach, oder weil er zumindest mit einem Mitglied der Familie Bennecke näheren Kontakt gehabt hatte.
»Äh, Katrin ist ein paar Jahre älter als ich. Sie ist auf das Gymnasium gegangen und ich auf die Realschule. Wir haben uns natürlich im Bus gesehen und manchmal in der Stadt oder so ...«
Pia fragte sich, ob der Kontakt wirklich so beiläufig gewesen war, wie Hanno es betonte. Leicht besorgt behielt er seinen Vater im Auge, der sich mit einem Lappen an der klinisch reinen Arbeitsplatte zu schaffen machte.
»Und Malte Bennecke, der ging doch auch auf die Realschule, wenn er auch ein paar Jahre jünger war?«
»Sieben Jahre«, kam es spontan von Hanno. »Aber ich hatte auch mit ihm nichts am Hut. Er war ein Angeber und Spinner, der sich nicht für die Landwirtschaft interessierte. Der wollte sich nicht die Finger schmutzig machen und trotzdem irgendwann das große Geld abkassieren. Kann doch nichts Gutes dabei herauskommen ...«, murrte er und sein Vater nickte bekräftigend, während er ein paar Wasserflecken auf der Mischbatterie zu Leibe rückte.
»Sie bewirtschaften den Hof gemeinsam mit ihrem Vater?«, fragte Pia, um dem Gespräch eine etwas andere Richtung zu geben. Marten war inzwischen zur Pinnwand hinübergeschlendert und studierte die angehefteten Notizen.
»Nein. Ich habe den Hof vor drei Jahren übernommen. Als ich Petra geheiratet habe, hat mein Vater sich zurückgezogen und springt jetzt nur noch in Notfällen ein. Petra und ich haben uns das neue Haus gebaut, gleich rechts neben der Einfahrt. Haben Sie es gesehen?«
»Ja, es ist mir aufgefallen. Es passt zum alten Haus, auch wenn es etwas ganz Neues ist«, bestätigte Pia und sah, wie der Besitzerstolz seine Züge aufhellte und ihn gleich offener und freundlicher wirken ließ. Marten im Hintergrund verdrehte ungeduldig die Augen.
»Nicht wahr? Petra hat lange mit dem Architekten zusammen geplant, bis sie es endlich so hatte, wie wir wollten ...«
»Wie sie es wollte, nicht wie ihr es wolltet, Hanno. Du wolltest ein Massivhaus bauen«, mischte sich der Vater ein und brachte die Freude des Sohnes kurzerhand zum Erlöschen. »Es ist etwas ungewöhnlich, dass das junge Paar sich ein neues Haus baut, normalerweise wird ein neues Altenteil gebaut«, berichtete August Suhr, »aber meine Schwiegertochter ist ja auch eineetwas ungewöhnliche Frau. Sie hat sich geweigert, mit in dieses Haus zu ziehen. Dabei ist hier Platz für mindestens acht Personen, oben sind allein noch vier Kinderzimmer frei ...«
»Hör auf damit, Vater«, entfuhr es Hanno Suhr. Sein rotes Gesicht ließ vermuten, dass der Vater ein unbeliebtes Thema angeschnitten hatte.
Da Marten sich bei diesem Gespräch mal wieder auf stille Zuhörerschaft zu beschränken schien, fuhr Pia mit der Befragung fort: »Wo waren Sie am Montagabend, Herr Suhr?«, fragte sie den alten Suhr, der daraufhin verärgert den Lappen in die Spüle schmiss und die Arme vor der Brust verschränkte.
»Wieso, was soll das? Bin ich unter Verdacht?«
»Beantworten Sie doch einfach meine Frage.«
»Ich sehe nicht ein, weshalb ich Ihnen solche Auskünfte geben sollte ...«
»Möchten Sie lieber mit uns kommen und im Kommissariat in Lübeck eine offizielle Aussage machen?«, fragte Pia.
»Na schön. Ich war hier zu Hause. Gegen sieben habe ich Abendbrot gegessen, gespült und aufgeräumt. Um acht Uhr zu den Nachrichten habe ich vor dem Fernseher gesessen. Dort blieb ich, bis ich gegen halb elf ins Bett gegangen
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