Kalter Grund - Almstädt, E: Kalter Grund
einiges kosten?«
»Er scheint es zu haben. Mehr interessiert mich nicht. Mein Arbeitsgebiet ist die Landwirtschaft, ich bin nicht Försters Seelenklempner.«
»Wie kommen Sie jetzt darauf?«
»Ach wissen Sie ...«, Petersen sah unbehaglich zum Haupthaus hinüber, »ich werde oft auf Försters Benehmen angesprochen: das verschlossene Tor, die unbedingte Anonymität, die er zu wahren versucht. Das macht sich nicht gut bei den Leuten hier. Förster ist vielleicht ein bisschen paranoid, aber er ist ein fairer Arbeitgeber.«
»Inwiefern paranoid?«
»Sehen Sie mal, da drüben ... und dort ... das sind Überwachungskameras. Das Gelände wird videoüberwacht. Wer weiß, vielleicht ist sogar der Pferdestall verwanzt ...«
Er lächelte schwach über den vermeintlichen Witz.
»Was hatte Malte Bennecke mit all dem zu tun? Ich hörte, er hat für Förster gearbeitet?«
»Ah, jetzt kommen wir zum Thema ...«
Pia sah ein Aufblitzen in Jens Petersens Augen.
»Er war eine Art Laufbursche, lungerte herum und wartete, dass jemand ihm einen Auftrag gab.«
»War er den Försters lästig?«
»Nein, die sind so ein Benehmen gewohnt, nehme ich an.«
»Was meinen Sie, warum Malte das gemacht hat. Auf dem elterlichen Betrieb gab es bestimmt genug zu tun.«
»Hätte, könnte, sollte ... Malte war halt Malte. Er versprach sich wohl davon, dass etwas von dem Glanz und dem Reichtum auf ihn abfallen würde. Ich glaube nicht, dass er ernsthaft vorhatte, den ›Grund‹ zu übernehmen und Milchbauerzu werden. Er hat mir einmal vorgerechnet, dass es für einen Landwirt günstiger sei, eine Lehrerin mit entsprechendem Gehalt zu heiraten, als einen neuen Stall für 60 Rinder zu bauen.«
»Er war kurze Zeit mit Frau Lange liiert«, sagte Pia. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Petersen tat das mit einem Augenzwinkern ab.
»Ach, das war doch nur eine Kinderei. Ich habe es nie verstanden, weder von seiner noch von ihrer Seite aus.«
»Eine gewisse Anziehung wird wohl bestanden haben, und warum auch nicht?«
»Nur dass Verena Lange eigentlich an etwas ganz anderem interessiert ist. Sie möchte einen Mann haben und eine Familie gründen. Deshalb heiratet sie jetzt im Sommer auch ihren Exfreund. Einen Mann übrigens, den sie vor einem halben Jahr noch als großen Langweiler bezeichnet hat.«
Pia meinte, einen Anflug von Eifersucht aus seinen Reden herauszuhören. Vielleicht war Jens Petersen seinem Fräulein Lange mehr zugetan, als er zugab. Er wirkte auf Pia wie ein Mensch, der zu großer Leidenschaft fähig ist, sei es nun für einen Beruf, eine Frau oder einen Haufen alter Steine. Vielleicht mochte er Malte Bennecke schon deshalb nicht, weil ihm etwas gelungen war, was ihm vielleicht für immer vorbehalten blieb: mit Verena ins Bett zu gehen.
»Sind sie verheiratet, Herr Petersen?«, fragte sie ihn unvermittelt und sah, dass sie ihren Gesprächspartner damit in Verlegenheit brachte.
»Ich bin der Richtigen noch nicht begegnet«, rettete er sich in einen Allgemeinplatz. Jens Petersen hing einen kurzen Moment seinen Gedanken nach. Dann sagte er leise:
»Ich gelte hier in Grevendorf als Sonderling, schon über 40 und noch unverheiratet. Weil ich völlig normal aussehe, ichmeine, nicht absonderlich hässlich bin, ein gutes Einkommen habe und auch sonst keine erkennbaren Mängel, verstehen die Leute nicht, warum ich noch keine Frau gefunden habe. Einige halten mich für schwul, pervers, absonderlich, was weiß ich. Anfangs wurde ich viel eingeladen und mit den unverheirateten Töchtern zusammengesetzt, mittlerweile haben sie es aufgegeben. Ich pflege wenig gesellige Kontakte, weil ich mich allein immer als fünftes Rad am Wagen fühle. Hier auf Rothenweide nimmt man mich so, wie ich bin. Ich liebe das Gut und meine Arbeit, ich vermisse eine Partnerin gar nicht so sehr. Klar, Weihnachten oder wenn ich mal krank bin, aber ansonsten ...«, er zuckte die Achseln, »bin ich kein unzufriedener Mensch.«
»Was ist mit Kindern?«
Petersens Augen verengten sich, er sah Pia wachsam an. »Was soll damit sein. Ohne Frau keine Kinder! Das hat doch jetzt nichts mehr mit den Morden zu tun.«
Petersens Verärgerung, ein vielleicht schon lange genährter Schmerz, waren ihm ins Gesicht geschrieben. Er verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. Pia vermerkte sich im Geiste ein Ausrufungszeichen.
Leider schienen plötzlich sowohl Petersens gute Laune als auch seine Redelust dahin. Pia musterte ihn forschend. Es machte bei ihrem
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