Kalter Grund - Almstädt, E: Kalter Grund
Kraft schien erschöpft zu sein. Pia und Marten sahen einander an. Wer auch immer den Benneckes in dem Wäldchenaufgelauert hatte, Katrin Bennecke würde ihm heute Abend kein Gesicht geben.
Über Nacht begann es in Schleswig-Holstein zu schneien. Pia schlief unruhig. Am Morgen, als sie die Vorhänge zurückzog, war der Himmel von Wolken verhangen. Feine weiße Flöckchen hatten alle horizontalen Flächen mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Ihren Weckruf um halb sieben hatte sie überhört. Nun war sie so spät dran, dass sie sich zwischen Frühstück und pünktlichem Erscheinen zur Dienstbesprechung entscheiden musste. Sie ignorierte den Duft nach frischen Brötchen und Kaffee aus dem Frühstücksraum und begab sich direkt in den Besprechungsraum am Ende des Ganges.
Die anderen sahen auch nicht viel wacher aus, als Pia sich fühlte. Nach einer kurzen Begrüßung legte Marten Unruh los. Er fasste die Ergebnisse der Obduktionen für alle noch einmal zusammen. Dann ließ er sich über die Arbeit des Spurensicherungsteams aus. Anschließend berichteten Hartmut Weber und Thomas Roggenau von ihren Befragungen.
Roggenau führte das Wort, genoss ganz offensichtlich die Aufmerksamkeit der anderen. Die Dorfbewohner, die befragt worden waren, hatten alle mehr oder weniger das wiedergegeben, was auch Rohwers, Kontos’ und Suhrs erzählt hatten. Die Geschichte um das totgefahrene Kind war den meisten Dorfbewohnern noch frisch im Gedächtnis. Niemand wusste jedoch, wo Malte Bennecke und seine Mutter am Montagabend gewesen waren. Niemand äußerte einen konkreten Verdacht und niemand hatte an diesem Abend irgendetwas Außergewöhnliches bemerkt.
»Es scheint verdammt einfach zu sein, jemanden zu ermorden«, bemerkte Hannes Steen spöttisch. »Man geht einfachhin, erschießt die Leute und haut wieder ab. Kein Mensch bemerkt was, alles bleibt ruhig ...«.
»Das ist doch nichts Neues«, entgegnete Marten, »selbst wenn die Leute etwas hören oder sehen, verkriechen sie sich lieber vor dem Fernseher, als zu reagieren. Und hinterher ist es ihnen dann peinlich und sie halten die Klappe.«
Roggenau scharrte unruhig mit den Füßen. Pia sah, dass er noch ein Ass im Ärmel hatte.
»Eine Kleinigkeit gab es doch noch ...« Er machte eine Kunstpause, bis er die Aufmerksamkeit wiedererlangt hatte: »Wir haben mit einer Frau Kopp gesprochen, die uns eine interessante Geschichte erzählt hat. Ihr Mann ist Taxifahrer. Er hat vor etwa drei Wochen eine junge Asiatin an der Hauptstraße von Grevendorf aufgelesen, die er dann nach Kiel gefahren hat, in ein Hotel.«
»Ja und?«, fragte Marten.
»Sie soll mit irgendeinem Glitzerfummel bekleidet gewesen sein, war barfuß und sprach nur gebrochen Deutsch. Außerdem hat ihr Mann ihr erzählt, dass die Frau am ganzen Leib zitterte ...«
»Nicht vor Kälte«, ergänzte Hartmut Weber. »Herr Kopp soll gesagt haben, sie hätte vor irgendetwas Angst gehabt.«
Thomas Roggenau sah stirnrunzelnd zu ihm hinüber. Dann blätterte er in seinen Unterlagen und fuhr fort: »Richtig. Die Befragte sagte, ihr Mann hätte die Frau als überaus ängstlich und verstört beschrieben. Und nun kommt das Wichtigste: Sie soll von Gut Rothenweide gekommen sein, dessen Besitzer ja bekanntermaßen Bernhard Förster ist, für den Malte Bennecke gearbeitet hat. Die Frau vertraute uns an, dass man im Dorf so einige Vermutungen hätte, was Förster dort treibe ...«
»Sie haben sicher auch erfahren, was genau dort vermutet wird?«, wollte Marten wissen
»Ich musste Frau Kopp ziemlich unter Druck setzen, aber schließlich ...«
»Nachdem wir ihren Marmorkuchen probiert hatten ...«
Kommissar Weber war kurz davor, sich mit seinem Einwurf von seinem jüngeren Kollegen eine einzufangen.
»Schließlich rückte sie damit heraus, dass Förster vielleicht eine Art Bordell in seinem Schuppen betreibe. Mädchenhandel und so weiter. Die junge Asiatin war von dort geflohen, als der Taxifahrer sie aufgriff.«
»Habt ihr auch Herrn Kopp persönlich gesprochen?«
»Nein, bisher noch nicht.«
»Dann seht zu, dass ihr ihn zu fassen bekommt. Aus zweiter Hand ist so eine Geschichte nicht viel wert«, fertigte Marten Unruh Thomas Roggenau kurz ab. Pia beobachtete, wie sich Roggenaus Miene versteinerte. Er hatte sich offensichtlich eine andere Reaktion erhofft.
Dann war Hannes Steen an der Reihe. Er berichtete von den Reaktionen aus der Bevölkerung, die bei der Polizei eingegangen waren. Es mussten einige Hinweise verfolgt und
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