Kalter Grund - Almstädt, E: Kalter Grund
Beobachterin und hatte vielleicht selbst eins und eins zusammengezählt. Die ganze Heimlichtuerei war nur deshalb nötig gewesen, weil Agnes’ Mutter die Beziehung zwischen Malte Bennecke und ihrer Tochter niemals geduldet hätte.
Agnes vermutete, dass es ihrer Mutter eigentlich ziemlich egal war, was ihre Tochter trieb. Sie wollte jedoch vor Agnes’ Vater gut dastehen. Und der verstand, was die Moral seiner Tochter betraf, überhaupt keinen Spaß.
»Die Polizistin wusste es schon vorher. Irgendjemand muss gequatscht haben. Aber es ist mir auch egal – und du solltest dir auch ein dickeres Fell zulegen.«
Es wurde nicht die Art Gespräch, die Agnes sich erhofft hatte. Diese verdammten Morde schienen hier alle Leute aus derFassung zu bringen. Hätte sie noch jemand anderen gewusst, an den sie sich in ihrer Not hätte wenden können, sie wäre jetzt gegangen. So aber schluckte sie ihre Enttäuschung herunter.
»Ich nehme an, du weißt, was passiert ist. Ich meine mit mir, und was wir getan haben ...« flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme. Sie hatte noch nie mit einem Menschen darüber sprechen können. Aber sie wusste, dass Verena etwas bemerkt hatte, und hoffte, nicht mehr erklären zu müssen.
»Ach du armes Ding. Entschuldige bitte, dass ich so unsensibel war. Ja. Ich habe mir zumindest etwas gedacht. Ich meine deine Übelkeit und die ganzen heimlichen Termine in Kiel. Du warst schwanger, nicht wahr? Hattest du eine Abtreibung?«
Verena war zu Agnes getreten und hatte einen Arm um ihre zuckende Schulter gelegt.
»Du brauchst jetzt nicht zu antworten. Was für ein furchtbares Geheimnis für dich. Was für eine Belastung, wenn man es nicht einmal seiner eigenen Mutter erzählen kann ...«
Das Mitgefühl nach all den Wochen des Schweigens war zu viel für Agnes. Sie machte sich los und ging zum Pferd hinüber. Sie legte ihr Gesicht an den warmen Hals des Tieres und rang um Fassung.
»Ich habe nur solche Angst, dass meine Mutter es erfährt. Denn wenn sie das meinem Vater erzählt, dann spricht er nie wieder ein Wort mit mir. Dann bin ich für ihn tot!«, flüsterte sie. Rosemonts weiches Fell und der vertraute Pferdegeruch beruhigten sie ein wenig.
»Ich glaube nicht, dass deine Mutter es ihm erzählen würde. Ich meine, welches Licht würde das denn auf ihre Erziehungsmethoden werfen?«, sagte Verena in möglichst neutralem Ton. Sie war sich unsicher, ob Agnes’ Mutter schweigen würde, aber sie hoffte es um Agnes’ willen.
»Und da ist noch etwas ...«, sagte Agnes mit rauer Stimme.
»Was denn?«, fragte Verena. Ihre Stimme klang so, als ob sie es nicht wirklich hören wollte.
»Es geht um die Sache mit Elise und um diese Morde. Ich wohne doch direkt nebenan und bekomme so einiges mit. Also Bettina hat, glaube ich, auch ... also ...«
»Agnes, du sprichst in Rätseln. Was ist mit Bettina Rohwer?«
»Ich habe etwas mit angehört. Unfreiwillig, weil mein Fenster offen stand. Alle denken immer nur, ihr Mann betrügt sie andauernd, aber sie ...«
In diesem Moment schepperte es am anderen Ende der Stallgasse. Es hörte sich so an, als wäre ein Pferd oder ein Mensch gegen einen Blecheimer getreten. Die Stille, die dem Geräusch folgte, verursachte Agnes ein Prickeln zwischen den Schulterblättern.
»Hallo? Petersen, sind Sie das?«, fragte Verena mit kräftiger Stimme. Es raschelte im Stroh, das war alles.
»Ich fahr dann mal«, sagte Agnes, »Karla wartet schon auf mich.« Sie tauchte unter dem Hals des Pferdes hindurch und verließ den Stall. Verena sah ihr einen Augenblick verwirrt nach. Dann schüttelte sie den Kopf und wandte sich wieder Rosemont zu, der all dem völlig ungerührt gelauscht hatte.
17. KAPITEL
B ettina Rohwer beobachtete vom Fenster ihres Schlafzimmers aus, wie ihr Mann nach Hause kam. Es war schon kurz nach zehn Uhr. Normalerweise rief Kay sie an, wenn es später als acht werden würde. Heute jedoch hatte er nichts von sich hören lassen.
Bettina hatte das vorbereitete Abendbrot mittlerweile abgedecktin den Kühlschrank gestellt und mit Chips und ein paar Gläsern Wein ihre immer größer werdende Wut bekämpft.
Nun hörte sie, wie die Autotür ins Schloss fiel. Sie sah ihren Mann mit gesenktem Kopf und aufgestelltem Mantelkragen auf die Haustür zueilen. Von hier konnte sie deutlich sehen, dass sich sein einst volles Haar schon merklich lichtete. Im Flur ging sie ihm entgegen.
»Oh, hallo, Bettina. Es ist spät geworden heute ...«, sagte er und warf einen
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