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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Parkplatz.
    Cardinal war gerade im Sitzungssaal und packte seine letzten Aktenordner in eine Kiste – und mit ihnen einen Fall, der ihn ein halbes Jahr lang seine ganze Kraft gekostet hatte. Es war dabei um eine kriminell veranlagte Familie gegangen, die auf dem Wege einer Klage wegen Lärmbelästigung über den angeblichen Krach beim Grillen den Gartengrill einer Nachbarsfamilie eingesackt hatte. Eines der Familienoberhäupter war mit dem Gesicht nach unten in der Worcestersauce gelandet, als es einem Herzinfarkt erlag. Cardinal hatte Monate in die Ermittlungsarbeit gesteckt, die am Ende einen stinknormalen Unfalltod bestätigte.
    Alle naselang drang ein weiblich-zartes Tak Tak Tak vom Einhämmern eines Nagels in seine Gedanken. Frances, langjährige Vorzimmerdame und Polizeichef Kendalls Mädchen für alles, hängte gerade eine Gruppe neu gerahmter Fotos an die Kieferntäfelung. Bis jetzt hatte sie erst eins von Chief Kendall beim Amtseid angebracht und ein weiteres von Ian McLeod, in voller Montur und klatschnass, nachdem er soeben eine Mutter von drei Kindern vor dem Ertrinken im Trout Lake gerettet hatte.
    »Was halten Sie von dem hier?«, fragte Frances.
    Ein Schwarzweißfoto im Format zwanzig mal fünfundzwanzig von einem beträchtlich jüngeren Jerry Commanda während seiner Zeit bei der Kripo Algonquin Bay, mit Base-ballkappe und Sonnenbrille. Er stand vor einem Steintor, auf dem ein gusseiserner Adler thronte – die Klauen angespannt, die schwarzen Schwingen wie zum Flug gespreizt.
    »Ist das Eagle Park?«, fragte Cardinal.
    »Hmhm.«
    »Daran kann ich mich noch erinnern. Es war ein Wohltätigkeitsspiel gegen die Feuerwehr.«
    »Ist es zu fassen, wie dürr Jerry da noch war?«
    »Ist er immer noch. Ein weiterer gewichtiger Grund, wenn man denn einen bräuchte, um ihn irritierend zu finden.«
    »Nun machen Sie aber mal einen Punkt, alle lieben Jerry.« Frances war gegen Ironie so immun wie eine Heilige.
    »Noch ein Grund«, sagte Cardinal.
    »Also, Sie …«
    Cardinal verfiel wieder in Schweigen. Das Konferenzzimmer war im Vergleich zu ihrem Großraumbüro der reine Luxus. Es verfügte sogar über Teppichboden, in Königsblau, mit einem tiefen Flor, der einiges von Frances’ Gehämmer sowie dem Getöse aus dem Gewahrsamstrakt schluckte. Allerdings war er nicht tief genug, um das Gezeter eines gewissen Jasper Colin Crouch zu dämpfen.
    Jasper Colin Crouch war Langzeitarbeitsloser und als Bauarbeiter nicht mehr zu vermitteln, von der Gestalt eines Grizzlybären und im Wesen noch viel schlimmer. Crouch war, darin entsprach er ganz dem Klischee, der Polizei einschlägig bekannt, was er seiner Neigung verdankte, in nüchternem Zustand seine Frau und in betrunkenem seine zahlreichen Sprösslinge zu verprügeln. Detective Lise Delorme hatte ihn einige Tage zuvor wegen Körperverletzung einkassiert, nachdem sein zwölfjähriger Sohn mit einem gebrochenenArm ins Krankenhaus musste. Der Junge stand jetzt vorübergehend unter der Vormundschaft des Jugendamts Ontario.
    Als ein gewaltiges Gebrüll ertönte – eine Art lauter Elchschrei, könnte man sagen –, sah Cardinal auf. Er wusste genau, woher das kam. Dem Brüllen folgte ein ebenso gewaltiges Krachen.
    »Du liebe Güte«, sagte Frances und griff sich ans Herz.
    Cardinal sprang auf und rannte zum Gewahrsamstrakt.
    Der Boden war überflutet – Crouch war wohl über den Wasserkühler gestolpert. Jetzt türmte er sich angriffslustig vor Delorme mit ihren eins sechzig auf, die gegenüber diesem Bollwerk aus Fett und Muskelmasse noch beträchtlich kleiner wirkte. Delorme hatte eine Platzwunde über dem Auge und kniete mit einem Bein im Wasser.
    Bob Collingwood hielt Crouch von hinten fest, doch Crouch zuckte mit einer bühnenreifen Bewegung die Achseln, und Collingwood flog im hohen Bogen davon. Bevor Cardinal einschreiten konnte, spannte sich Crouch an, um mit voller Wucht Delorme einen Tritt zu verpassen. Delorme wich zur Seite aus, erwischte seine Ferse mit der linken Hand und erhob sich halb.
    »Mr. Crouch, Sie hören sofort auf, oder ich mache Ernst.«
    »Lutsch mir den Schwanz.« Er zuckte mit seinem Bein, doch Delorme hielt fest.
    »Das war’s«, sagte sie. Sie legte sich seinen Fuß auf die Schulter und stand auf. Crouchs Schädel machte mit dem gefliesten Boden Bekanntschaft, und er war so schlagartig weg, als hätte jemand den Ausknopf an einer Fernbedienung gedrückt. Es gab tosenden Applaus.
    »Das muss genäht werden«, sagte Cardinal, als Delorme aus

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