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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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hab dich geweckt. Tut mir leid.«
    »Du klingst aber nicht so, als wenn es dir leid täte.«
    »Tut’s mir auch nicht. Terri Tait ist aus dem Krankenhaus verschwunden.«
    Delormes Stimme war augenblicklich klar. »Du meinst, sie wurde entführt?«
    »Sieht eher so aus, als hätte sie sich ein paar Klamotten geliehen und sich rausgeschlichen. Natürlich kann es sein, dass jemand auf dem Parkplatz gewartet hat. Haben wir schon irgendeine Rückmeldung von den Kollegen in Vancouver?«
    »Nichts. Aber ich hab eine Sozialversicherungsnummer. Ich warte auf den Tätigkeitsnachweis.«
    »Demnach wissen wir immer noch nicht, ob sie Verwandte hier hat.«
    »Fürchte, nein.«
    »Ich würde mich nicht wundern, wenn sie schon mal hier in der Gegend gewesen wäre. Wenn sie wüsste, wo sie hinkann. Zu Leuten, die sie aufnehmen würden. Mit ein bisschen Lauferei kriegen wir raus, wo das ist, und finden die Leute.«
    »Und was machen wir bis dahin?«
    »Ich muss noch einer Telefonnummer nachgehen. Jemand, den sie vom Krankenhaus aus angerufen hat.«
    »Ortsgespräch?«
    »Nein, Vorwahl von Vancouver, könnte sich allerdings auch um eine Handynummer handeln. Ich hab sie schon zur allgemeinen Fahndung ausgeschrieben. Dieses rote Haar, früher oder später muss sie jemand entdecken. Jetzt geh ich erst mal ins Bett.«
    »Wo bist du jetzt?«
    »Trout Lake Road. Auf dem Weg vom Krankenhaus.«
    »Wünschst du dir auch manchmal, du würdest was ganz anderes machen? Irgendwas, das absolut nichts mit Polizeiarbeit zu tun hat?«
    »Ich stell mir schon mal vor, ’ne Tischlerei zu führen. Andererseits würde es mir vermutlich bald zum Hals raushängen, wenn ich den ganzen Tag mit Holz arbeiten würde.«
    »Und ich, ich wünsch mir manchmal, ich wäre ins Business eingestiegen. Ich war kurz vor dem Abschluss in Betriebswirtschaft, als die Dinge in eine andere Richtung liefen.«
    Als er auflegte, wurde Cardinal bewusst, dass dies die persönlichste Unterhaltung war, die sie seit einem halben Jahr geführt hatten.

29
     
    S ämtliche Jalousien waren heruntergelassen; das Haus lag im trüben, lichtlosen Grau des Ungewissen. Terri saß auf ihrer gefalteten Jacke, doch der Dielenboden war trotzdem hart.
You run, run, run, but you’re coming undone
. Der Refrain hallte in ihrem Kopf wider wie eine Art Soundtrack zu ihrem Leben.
    Sie starrte in die rußige Höhle des roten Backsteinkamins. Die letzten Bewohner hatten hier offensichtlich sauber gemacht, bevor sie die Tür für immer schlossen. Sie hätte gern gewusst, wer sie waren und ob sie sich hier wohl gefühlt hatten. An dem Haus war eigentlich nichts Besonderes. In der Nachbarschaft gab es hunderte davon, aber Terri war hier glücklich gewesen.
    Wie seltsam, dass sie jetzt so unglücklich war, denn als Kind war sie ein Sonnenschein gewesen. Sie hatte sich mit ihren Eltern gut verstanden und mit Kevin, ihrem kleinen Bruder. Doch dann war das Desaster passiert, und Terri und Kevin hatten nach Vancouver zu einer Tante und einem Onkel ziehen müssen, die sie nicht besonders mochte. Sie erinnerte sich an den Gestank der Pfeife, die ihr Onkel rauchte, und daran, wie ihre Tante alles und jedes »köstlich« fand oder »allerliebst« – was Terri furchtbar auf die Nerven ging. Sie war die Schwester ihrer Mutter, aber sie hätten nicht verschiedener sein können. Sie waren keine schlechten Menschen gewesen, aber sie konnten ihre Eltern nicht ersetzen, und deshalb konnte Terri sie nicht leiden.
    Dieses Haus war der letzte Ort, an dem Terri rundum glücklich gewesen war – sorglos, wie es sich für Kinder gehörte. Sieerinnerte sich, wie der Kamin an kalten Winterabenden glühte. Sie hatten damals eine Glastür vor der Öffnung, und sie und Kevin rangelten sich um den besten Platz auf dem Teppich vor dem Feuer, um sich auf den Bauch zu legen und fernzusehen. Der Apparat hatte in der Ecke gestanden, außer zu Weihnachten, wo er an eine andere Stelle kam, um dem Baum mit den langen Nadeln, den sie immer hatten, Platz zu machen.
    Terri stand auf und ging noch einmal durch das Speisezimmer. Die Esstischgarnitur ihrer Eltern, moderner schwedischer Stil, war zu groß gewesen, und wenn man am Tischende gegenüber ihrem Vater saß, befand man sich schon halb im Wohnzimmer. In der Küche drängte sich ihr plötzlich eine seltsame Erinnerung auf: Sie war gerade beim Abtrocknen gewesen, als sie – Tranchiermesser und Geschirrtuch in der Hand – einfach in Ohnmacht fiel. Das Messer steckte da, wo es hinfiel, im

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