Kalter Schlaf - Roman

sechs, sieben … Jackson konnte gar nicht mehr zählen, wie viele Uniformierte auf ihn herabstießen.
    »Mr. Jackson? Dennis Jackson?«, knurrte der große Mann. Sein fleischiges Gesicht trug einen strengen Ausdruck, als er ihn durchdringend, mit inquisitorischem Blick musterte.
    Jackson nickte. Sein Mund stand offen, sein Gehirn hatte vorübergehend ausgesetzt.
    »Chief Superintendent Gander, Polizeidirektion Rose Road, Harborne. Ihre Frau hat Meldung erstattet?«
    Jackson nickte erneut und begriff erstmals in seinen vierundfünfzig Jahren, wie man sich fühlte, wenn man die Sprache verlor. Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, sah er zu dem großen Polizeibeamten auf und nickte dann nach links. Sie lag noch immer dort. Er hatte sie sich nicht nur eingebildet. Wie denn auch?
    Sie standen unbeweglich da und betrachteten die im Gras liegende Tote. Ganders Gesicht lief rot an, während er angestrengt nachdachte. Über Jugendlichkeit und darüber, was für ein Verrückter das, was er jetzt sah, getan hatte.
    Er stapfte auf die andere Seite der Leiche hinüber und schnalzte dabei mit den Fingern, um einen seiner bewegungslos dastehenden Leute auf sich aufmerksam zu machen.
    »Licht!« Der Uniformierte rannte los, machte einen weiten Bogen um die Tote. Gander spekulierte weiter, diesmal über ein Thema, das ihn persönlich betraf. Über die Zahl der jungen Beamten in der Rose Road. Er schüttelte den Kopf, presste die Lippen zusammen, fühlte sich plötzlich alt. Müde.
    Jackson trat einige Schritte vor und bot dem großen Mann schüchtern seine Stablampe an. Gander nahm sie wortlos entgegen und richtete ihren Lichtstrahl auf den Leichnam.
    »Was, zum Teufel …«, murmelte er. »Verdammt, was ist das? Auf ihrem Gesicht!«
    Dann flammten Handscheinwerfer auf, und Gander konnte sie genauer betrachten. In all seinen Dienstjahren hatte er noch nie etwas Vergleichbares gesehen.
    Er sah rasch zu seinen Leuten hinüber. »Ihr vier. Ich will Scheinwerfer, die den Fundort ausleuchten. Dort drüben, dort und« – er zeigte auf die entsprechenden Stellen – »hier. Aber haltet Abstand von der Toten.« Er sah sich stirnrunzelnd um. »Dort drüben scheint ihre Kleidung zu liegen. Haltet euch auch von der fern. Wir wollen keine Spuren vernichten. Dr. Chong und die Leute der Spusi sind schon unterwegs. Und jetzt los! Beeilung!«
    Sie liefen auseinander.
    Nur Jackson blieb zurück. Er stand mit hängenden Armen da und beobachtete das Geschehen um sich herum. Gander kam auf ihn zu und nickte, als Whittaker ihm die Personalien des Mannes aus seinem Notizbuch vorlas.
    »Okay, Mr. Jackson … Dennis. Erzählen Sie uns, was passiert ist«, sagte Gander.
    Keine Reaktion.
    »Kommen Sie, Dennis! Sie müssen uns sagen, was Sie wissen.«
    Jackson schüttelte hastig den Kopf, dann sprach er endlich. »Ich … ich war auf diesem Waldweg unterwegs. Wir wohnen in dem Haus dort drüben.« Er deutete vage auf ein am Ortsrand liegendes Haus mit Doppelgiebel. Seine Stimme klang eigenartig gepresst.
    »Wieso?«
    Wieder keine Reaktion.
    Gander wurde förmlich. »Mr. Jackson. Wieso waren Sie hier draußen unterwegs? Zu nachtschlafender Zeit am frühen Freitagmorgen? PC Whittaker hier hält sich bereit, alle Informationen mitzuschreiben, die Sie uns geben können.«
    »Was? … Sorry, ich weiß natürlich, was Sie … Ich arbeite für die BMS .«
    Gander brachte ihn irrtümlich sofort mit einer Birminghamer Fahrschule in Verbindung, verwarf diesen Gedanken aber gleich wieder. Er wartete ungeduldig.
    Jackson schien sein letztes bisschen Verstand zu sammeln. »Ich arbeite an Forschungsprojekten. Für die British Mycological Society. Gegenwärtig zähle ich nachts Funghi, deshalb war ich hier draußen unterwegs …« Er sah, dass der junge Uniformierte die Stirn runzelte und nicht weiterschrieb. »Pilze«, ergänzte er hilfsbereit.
    »Sie waren also hier draußen und haben Pilze gesammelt?«, fragte Gander mit einem misstrauischen Blick zu seinem überforderten Schreiber hinüber.
    »Funghi. Nein, nein. Nicht gesammelt. Verzeichnet.« Jackson zog einen kleinen Band mit Spiralheftung aus seiner Barbour-Jacke. »Sehen Sie? Es enthält alle Gattungen. Hier.« Er zeigte mit dem Finger auf eine Illustration und deutete vage zur nächsten Baumgruppe hinüber. »Spitzgebuckelter Raukopf. Cortinarius rubellus. Dort drüben habe ich zwei Gruppen Schleierlinge gefunden. Das habe ich auf dieser Seite mit Ort und Zeit vermerkt …«
    Whittaker, der sichtbar