Kalter Süden
mal, hat nicht gestern jemand den Namen erwähnt? Diese Frau, die auch Swea-Mitglied war?«
»Noch ein Kind?«, sagte Carita und sah fast blass aus.
»Das muss ich überprüfen«, sagte Annika und öffnete die Autotür. »Wie kommt man denn von hier zum Hotel zurück?«
Sie warf den Regenschirm von sich, schleuderte ihre Tasche aufs Bett und die Jacke auf den Boden und ließ sich auf den Stuhl vor dem Computer fallen. Mit zitternden Fingern rief sie die Internetseite des Konkurrenten auf.
Vor ihrer Abreise hatten sie weder etwas über den Gasmord noch über Halenius und sie gebracht, aber jetzt fanden sich beide Geschichten ganz oben auf der Seite.
Zuoberst kam der Gasmord. Sie wusste, dass es eigensüchtig war, aber sie musste trotzdem zuerst lesen, was über den Staatssekretär und sie geschrieben wurde.
Das Foto war schlimmer, als sie erwartet hatte. Es war zu dunkel und verwackelt, aber im Licht, das aus dem Restaurantfenster fiel, konnte man sie dennoch klar erkennen. Ihr Haar flatterte im Wind und stand wie ein Wasserfall hinter ihr. Es sah aus, als würde Halenius sie umarmen und an sich drücken, seine Lippen lagen dicht an ihrem Ohr. Entweder küsste er sie auf die Wange oder er flüsterte ihr zärtlich etwas zu.
»Starjournalistin und Top-Politiker beim Tête-à-Tête« schrie die Schlagzeile.
Na ja, zumindest war sie eine Starjournalistin.
Sie setzte sich zurecht und las den Teaser und die Einleitung:
»Schyman: ›Ich habe volles Vertrauen zu ihr.‹ Gestern Abend ging die Kriminalreporterin Annika Bengtzon mit dem engsten Vertrauten des Justizministers auf die Rolle. ›Sie haben Wein getrunken und sich in aller Öffentlichkeit geküsst‹, berichtet ein Augenzeuge.«
Empört richtete sie sich auf. Was war das denn für ein blödsinniges Geschwätz?
Irgendwo beim Bett begann ihr Telefon zu klingeln. Sie schaute zu ihrer Tasche und zögerte. Weiterlesen oder rangehen?
Schließlich stürzte sie sich auf die Tasche, riss das Telefon an sich und warf einen Blick aufs Display.
»Hallo?«, meldete sie sich und bemerkte ihren zwitschernden Ton.
»Ich habe das Bild gesehen«, sagte Thomas.
»Äh, ja?«, sagte Annika.
»Hast du das nur getan, um mich bloßzustellen?«
In echter Verwunderung riss sie die Augen auf.
»Also wirklich, Thomas, bist du etwa eifersüchtig?«
»Halenius ist verdammt noch mal einer meiner Chefs. Kapierst du nicht, was du da anrichtest? Kannst du dir vorstellen, was das für ein Getratsche gibt? Alle werden mit dem Finger auf mich zeigen.«
Ihr koketter Tonfall verschwand.
»Willst du mir vorhalten, was ich anrichte?«
Thomas schnaubte.
»Denkst du irgendwann auch mal an jemand anders als dich selbst?«
Vor Wut fiel es ihr schwer zu sprechen.
»Du scheiß Heuchler! Du hast mich und die Kinder in einem brennenden Haus sitzenlassen und bist zu deiner Fickbekanntschaft abgehauen. Ich war ein halbes Jahr obdachlos, stand unschuldig unter Verdacht wegen Brandstiftung und hätte fast meine Kinder verloren, weil du versucht hast, sie mir wegzunehmen – und jetzt bist du beleidigt? Du machst mich absolut krank !«
Sie war schon drauf und dran, das Gespräch wegzudrücken, wie sie es üblicherweise tat, doch sie riss sich zusammen.
Stattdessen wartete sie ab, schnell und flach atmend.
»Annika?«, sagte er.
Sie hustete leise.
»Hm. Ja. Ich bin noch dran.«
»Wie kannst du so etwas sagen? Dass ich dich in einem brennenden Haus sitzengelassen hätte?«
»Hast du doch.«
»Das ist wirklich ungerecht«, verteidigte er sich. »Ich bin zu Sophia gefahren, nachdem wir beide uns gestritten haben, und als ich zurückkam, um mit dir zu sprechen, war das Haus abgebrannt. Was glaubst du, wie sich das angefühlt hat? Ich wusste im ersten Moment ja nicht mal, ob du es geschafft hast, ob die Kinder noch leben …«
»Dass du immer so leiden musst«, sagte sie. »Armer Thomas.«
Er seufzte schwer am anderen Ende.
»Du drehst immer alles so hin, dass es mein Fehler ist …«
»Du hast mich betrogen«, sagte Annika. »Ich habe euch gesehen. Draußen vor dem NK . Ihr seid Arm in Arm gegangen, du hast sie geküsst, und ihr habt geredet und gelacht.«
Jetzt verstummte Thomas.
»Wann war das?«, fragte er schließlich.
»Letzten Herbst«, sagte sie. »Ich stand mit den Kindern auf der anderen Straßenseite. Ich hatte Gummistiefel für Kalle gekauft, wir waren gerade auf dem Heimweg und …«
Plötzlich begann sie zu weinen. Die Tränen rannen ihr über die Wangen, ohne dass
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